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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Eskorte, seinem Gespräch mit den deutschen und amerikanischen Sicherheitsbeamten und schließlich von Marianne. »Es ist nicht etwa so«, fuhr er fort, »daß ich Vergeltung will für ihren Tod. Ich kann ja nicht gut den Unteroffizier Stone erschießen, der im Panzer saß, oder seinen Vorgesetzten, der ihn auf den Waldweg dirigiert hat. Kausalitäten sind nicht immer eindeutig, und Kausalitätenketten sind es schon gar nicht. Nein, ich will etwas ganz anderes!
Ich will das leichtfertige Spiel der Menschen mit den tödlichen Chemikalien anprangern, ebenso ihre A- und BSpiele. Man muß sich ja schon fragen, ob die Menschheit das Weiterleben überhaupt verdient, wenn sie für die Eindämmung von Seuchen Nobelpreise vergibt und gleichzeitig Tapferkeitsmedaillen verleiht an Leute, die mit der Ausbreitung derselben Seuche eine Schlacht gewinnen. Ich finde, angesichts der weltweit gelagerten A-, B- und C-Waffen ist die Frage nach der Vormachtstellung einfach absurd. In einem künftigen Krieg kann es, übers Ganze gesehen, nur Verlierer geben. Ist es nicht pervers, wenn die beiden Seiten sich einigen, nur eine bestimmte Menge des Vernichtungspotentials bereitzuhalten, sagen wir, eine Menge, mit der man die Erde nur fünfzigmal zerstören kann statt hundertmal? Und ist es nicht ebenso pervers, sich auf Raketen einer bestimmten Reichweite zu einigen?
Für mich steht fest: Der überall gehortete Schrecken ist nicht mehr zu verwalten; er gleitet den Menschen aus den Händen, wenn nicht morgen, dann übermorgen. Und ich setze mit meinem Protest in Wasloh ein, weil’s meine Gegend ist und man mir da ein Giftgas-Arsenal zum Nachbarn gemacht hat.« Er gab ihr die Fotos zurück, die sie sofort wieder in die Aktentasche steckte.
»Gute Bilder«, sagte er. »Mit ihnen hätte man, wenn man drin wäre, eine erste Orientierung. Aber man braucht etwas mehr.« Er zeigte auf den Plan, wollte eine Frage stellen, doch da sah er, daß der Kellner näher kam. »Also«, beeilte er sich zu sagen, »diesen Acker«, er tippte auf eine beliebige Stelle, »würde ich Ihrem Onkel verkaufen, die anderen Ländereien nicht.« Er hob den Blick, sah den Kellner an. 
    Der fragte: »Wünschen die Herrschaften noch etwas?« Beide wollten nichts, und so ging der Mann wieder. »Verfolgen Sie mit diesem Plan«, sein Finger tippte noch einmal darauf, »etwas Bestimmtes?«
Sie nickte. »Ich habe ihn mitgebracht in der Hoffnung, wir kämen gemeinsam auf eine Idee.« Sie beugte sich vor, zeigte auf eins der vielen schwarzgerahmten Felder. »Hier, das Flurstück 14/9 grenzt direkt an das Depot.«
»Es ist ein Streifen Niemandsland dazwischen«, antwortete er. »Der gehörte früher uns, aber dann kam die Enteignung. Das war noch zu Zeiten meines Vaters.« 
    »Wie breit ist das Stück? Nach dem Maßstab müßten es etwa dreißig Meter sein.«
    »Ja, es sind genau dreißig Meter.«
»Und hier«, sagte sie, »ein Stück weiter nördlich, steht Ihr Haus. Wie viele Meter sind es von der Südseite des Gebäudes bis zum Lagerzaun?«
»Hundertzweiunddreißig. Aber ich habe vor drei Jahren eine Reithalle gebaut. Merkwürdig, daß sie nicht eingetragen ist. Vermutlich haben Sie einen älteren Plan erwischt.«
Er zog einen Kugelschreiber aus der Tasche, fragte mit einem Lächeln: »Darf ich?«
»Es ist Ihr Land.«
»Aber Ihr Plan.«
»Bitte, aktualisieren Sie ihn für uns!«
Mit ein paar raschen Strichen zeichnete er den Grundriß der Halle ein. »Zwischen der Südwand der Halle und dem Zaun sind es noch etwa neunzig Meter.«
»Neunzig«, wiederholte sie. »Das ist viel. Trotzdem bleibt festzuhalten, daß Ihr Besitz die kürzeste Entfernung überhaupt zwischen dem Depot und einem Privatgebäude bietet. Diesen Umstand müßte man doch auf irgendeine Weise verwerten können.«
Da er nicht antwortete, fuhr sie fort: »Ist es möglich, mit acht bis zehn Personen, die bereit sind, täglich zwölf Stunden körperliche Schwerstarbeit auf sich zu nehmen, einen tief gelegenen Tunnel zu bauen, der bis hinter den Zaun reicht, und dann innerhalb des Camps an die Oberfläche zu gehen?«
Er schlug sich an die Brust. »Uff! Jetzt brauche ich doch noch einen Kognak! Wollen Sie auch einen?«
»Gern.«
Er bestellte, und der Polignac wurde sogleich gebracht.
Golombek starrte auf den Plan, überlegte, griff blind nach seinem Glas, leerte es, setzte es ab. »Oh, Pardon, ich trinke einfach drauflos.«
»Einen tiefgelegenen Tunnel«, wiederholte

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