1988 VX (SM)
er ist von irgendwas abhängig.«
Robert setzte sich an den Tisch. »Das ist eine andere Art von Abhängigkeit, eine, die zum Schweigen führt statt zum Reden, wenn er sein Zeug nicht kriegt. Er fällt ins Koma.«
Es kennzeichnete seine Ratlosigkeit, daß er hinzufügte: »Dann ist er für uns soviel wert wie ein Sack Kartoffeln.«
»Wie sicher bist du, daß er nicht lügt?« fragte Zayma.
»Er weiß ’ne Menge über Diabetes.«
»Vielleicht«, meinte Sophie, »hat einer in seiner Familie diese Krankheit, sein Vater vielleicht, und er weiß es von ihm. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die US-Army ihre Sondermunitions-Depots bewachen läßt von Leuten, die zuckerkrank sind. Außerdem: Zuckerkranke haben immer Insulin bei sich. Er hatte nichts.«
»Er sagt, er muß es auf dem Picknickplatz verloren haben.« Robert wandte sich an Pierre und Igor: »Habt ihr
was gefunden?«
»Nein«, sagte Pierre, und Igor meinte: »Sowas übersieht man leicht auf dem Waldboden.«
»Sophie«, sagte Robert, »du hast dich dafür verbürgt, daß er an der Nadel hängt. War also doch nicht so gut, deine Arbeit.«
»Aber er hängt doch an der Nadel«, verteidigte sich Sophie. »Kann ich wissen, an was für einer?«
Robert stand wieder auf, ging hinaus. Zum zweitenmal zog er sich die Strumpfmaske übers Gesicht, öffnete dann die Luke und stieg in den Keller hinunter.
Noch einmal krempelte er dem Gefangenen den rechten Ärmel hoch, tastete die blauen Punkte ab, spürte die Verhärtungen. »Aha«, sagte er, »du willst uns also auf den Arm nehmen! Das sind gar keine Einstichstellen!« Er holte aus, schlug Haggerty die Faust ins Gesicht. Der stöhnte auf.
»Also?«
»Es sind Splitter«, sagte Haggerty, »ganz kleine Splitter, dreißig ungefähr, von einer Explosion. Im Herbst werden sie rausoperiert. Sie sind nur millimetergroß und sitzen ziemlich dicht unter der Haut.«
»Also keinen Diabetes.«
»Nein.«
»Und woher weißt du über diese Krankheit Bescheid?« »Ein Freund von mir ist Diabetiker. Er mußte die Army verlassen.«
Robert band dem Amerikaner die Fußfesseln los. »Jetzt geht’s erstmal nach oben!« Er zog seinen SMITH AND WESSON aus dem Gürtel, ging rückwärts die Treppe hinauf und befahl Haggerty, ihm – ebenfalls rückwärts – zu folgen. Der Amerikaner gehorchte. Robert dirigierte ihn ins Wohnzimmer. »Setz dich an den Tisch!«
Wieder gehorchte Haggerty. Auf der einen Hälfte der Platte standen Brot, Butter, Wurst und Milch. Über die andere Hälfte breitete Robert den Bogen Papier. Dann löste er dem Gefangenen auch die Handfesseln und sagte: »Jetzt zeichnest du den Grundriß eures Depots, zuerst den Zaun und die Wachtürme, dann die Zentrale mit dem Schlagbaum und dann das Wichtigste: jedes einzelne Gebäude, jeden Bunker, die Fahrzeuge, die Straßen und so weiter und so weiter. Bei den Gebäuden notierst du, was drin ist, wie viele Soldaten zum Beispiel, wie viele Geschütze, und bei den Bunkern schreibst du auf, welche Art von Munition da lagert, zum Beispiel soundso viele VXGranaten, soundso viele Granaten mit Tabun, Sarin, Soman und so weiter. Du hast eine halbe Stunde Zeit. Ich setz’ mich da in die Ecke und guck’ zu. Wenn du deine
Sache gut machst, darfst du anschließend über die Fressalien herfallen. Machst du sie schlecht oder gar nicht, kommst du wieder für zwanzig Stunden nach unten. Danach starten wir den zweiten Versuch. Geht der auch schief, kriegst du nicht nur wieder nichts zu essen, sondern wir ziehen dir als zusätzliche Strafe einen Fingernagel raus. Ohne Betäubung. Sollten da unten bis jetzt noch keine Ratten erschienen sein, nach der Fingeroperation kommen sie, denn das riechen sie natürlich. Also, fang an!« Er legte den Kugelschreiber auf das Papier und zog sich in die Ecke zurück.
»Ihr schafft es nicht«, sagte Haggerty. »Ich kann euch die schönsten Bilder malen, ihr schafft es nie und nimmer!« Er drehte sich nicht um zu Robert, sondern sprach über den Tisch hin.
»Ob wir es schaffen oder nicht«, antwortete Robert, »steht im Moment nicht zur Debatte. Jetzt geht es einzig und allein um dein Gemälde. Also red nicht rum, sondern fang an!«
»Aber ich kenne mich da noch nicht so aus, bin erst seit sieben Wochen …«
»Du bist seit sechzehn Monaten da, hast es selbst erzählt! Wenn du nicht endlich anfängst, ziehen wir den Nagel sofort. An der linken Hand, denn die rechte brauchst du ja noch.«
Haggerty beugte sich über das Blatt,
Weitere Kostenlose Bücher