1991 Atlantik Transfer (SM)
war eine etwa handtellergroße Fläche betroffen. Sie hob sich dunkel ab von der übrigen Haut.
Mit kosmetischen Mitteln war da natürlich etwas zu machen, aber eine dicke Schicht Puder an einer solchen Stelle? Was hielte die schon aus? Oder soll ich, fragte sie sich, in Zukunft etwa die Schüchterne spielen und auf Dunkelheit bestehen, wo ich doch genau weiß, wie gierig die Augen der Männer sind? Am rechten Knie gab es noch eine kleine Stelle, aber sie fiel nicht sehr auf, wirkte wie eine fast verheilte Schürfwunde. Da waren die länglichen Spuren an beiden Unterarmen schon schlimmer.
In einer Liebesnacht würden sie sich nicht verbergen lassen.
Ja, die Gegner hatten böse zugeschlagen, und die Zerstörung war ihnen dreifach gelungen, an ihrem Körper, an ihrem Haus und an ihrem Mann, wobei sie, was ihn betraf, unsicherer war denn je.
Sie zog ihren Bademantel an, ging ins Wohnzimmer, schenkte sich, obwohl es früher Vormittag war, einen Kognak ein, setzte sich und trank. Also nicht die Haie! dachte sie. Ich frag’ mich, ob es womöglich gar kein von Haien verseuchtes Wasser war, in das er gesprungen war. Dann könnte ich an seinen Tod glauben.
Andererseits, man ist bei der ersten Lesart von Haien ausgegangen, und das wäre Unsinn gewesen, wenn’s da überhaupt keine gibt. Jedenfalls ist es ihm durchaus zuzutrauen, das ganze Drama in einen harmlosen Binnensee zu verlegen und da, mit Hilfe von diesem Howard Foreman, eine blutrünstige Story in Szene zu setzen. Ich glaub’, es war seine kümmerliche Jugend, die ihn zu einem so verbissenen Egoisten gemacht hat. Alles einmal Erworbene wurde doppelt und dreifach abgesichert, und auch der ganze EUROVIT-Schwindel war nichts anderes als ein gigantisches Schutzprogramm. Man kann darüber denken, wie man will, aber ich finde, sein Verschwinden aus Deutschland unter gleichzeitiger Absicherung der herausgeschleusten Millionen war ein Bravourstück. Was, wenn er mit dem karibischen Theater diesem Projekt die Krone aufgesetzt hat? Der eigene Tod als Alibi! Dann gehört natürlich auch der Bekennerbrief zu diesem makabren Modell, denn … Der Schreck fuhr ihr in die Glieder. Sie setzte sogar das Glas wieder ab, das sie gerade in die Hand genommen hatte. Wenn der Tod ihres Mannes kein Unglücksfall und auch kein Racheakt war, sondern ein raffiniert ersonnenes Alibi, dann war auch der Brief Bestandteil des Täuschungsmanövers. Replin hatte am Telefon gesagt: »Das gleiche Papier, die gleichen Druckbuchstaben und wieder der Poststempel von Wiesbaden!«
Sie preßte die Hände gegen die Schläfen. Von einem Moment zum anderen hatten sich bohrende Kopfschmerzen eingestellt.
Sie lief ins Bad, nahm ein Aspirin, kehrte zu ihrem Sessel zurück und überdachte noch einmal, etwas ruhiger nun, das ganze Ausmaß ihres Verdachts: Wenn er tatsächlich sein Sterben nur vorgetäuscht hat und also noch lebt, ist der Bekennerbrief sein Werk. Und wenn das so ist, dann hat er auch die vorangegangenen Drohbriefe geschrieben. Das aber würde bedeuten, daß es einen VEREIN DER POHLMANN-GESCHÄDIGTEN vielleicht gar nicht gibt! Und dann … ja … wieder versuchte sie, den schmerzhaften Druck in ihrem Kopf mit dem Gegendruck der Hände zu mildern … dann muß es Ernst Pohlmann gewesen sein, der mein Haus in Brand gesetzt hat, ohne sich darum zu kümmern, ob ich dabei zu Schaden kommen, ja, womöglich unter entsetzlichen Qualen sterben könnte.
Sie stand auf und ging, die Hände noch immer an den Schläfen, in dem großen Zimmer hin und her, konnte nicht fassen, was da plötzlich aus der fast amüsiert erwogenen Möglichkeit, ihr Mann hätte nun auch noch die Polizei hereingelegt, geworden war. Aber dann kam sie auf eine Idee, die sie ein wenig besänftigte. Es bestand auch noch die Möglichkeit, daß er seinen Tod zwar vorgetäuscht und dennoch den Bekennerbrief nicht selbst geschrieben hatte. Bei spektakulären Fällen gab es ja meistens irgendwelche Trittbrettfahrer. Könnte, so überlegte sie, der VEREIN auf einen solchen Schritt verfallen sein? Vielleicht, um Entschlossenheit zu demonstrieren? Vielleicht auch nur aus Enttäuschung darüber, daß nicht seine Mitglieder es gewesen waren, die Ernst Pohlmann zur Strecke gebracht hatten? Das würde dann natürlich sowohl für den Fall gelten, daß es das Unglück tatsächlich gegeben hatte, wie auch für den, daß es nur vorgetäuscht worden war.
Aber wie sie es auch drehte und wendete, sie gelangte immer wieder zu derselben Einsicht: Es gab auf der
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