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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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klarzumachen, worum es ihm ging, mußte er ihn mit nach draußen bitten.
» La cosita con las alas « , sagte er. Das kleine Ding mit den Flügeln.
Als sie wieder im Laden waren, holte der junge Mann das Gewünschte, legte es sogar auf ein blaues Samtkissen, » Un objeto muy bonito « , sagte er. Ein sehr schönes Stück.
Hamilton nickte und nahm das Abbild seines Talismans auf, sah es sich genau an. Er war unschlüssig, ob er es kaufen sollte.
Würde es ihm Glück bringen? Konnte man überhaupt die Funktion des Originals auf die Kopie übertragen? Wahrscheinlich nicht. Vielleicht beschwor sie sogar das Gegenteil, Gefahr und Unheil, herauf. Mit einer heftigen Geste drückte er dem verdutzten Mann das Stück in die Hand. »Nein«, sagte er, »lieber eine Armbanduhr.«
    Auf dem Rückweg, im Taxi, dachte er an die Zukunft, an seinen Einstieg ins Ölgeschäft. Er hatte sich im Laufe der letzten Monate gut informiert und wußte, daß das Öl im Nationalgefühl der Mexikaner eine große Rolle spielte. Für sie war es nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, sondern es hatte darüber hinaus einen hohen Prestigewert, war Bestandteil ihrer Selbstachtung. Und ebenso wußte er, daß das schwarze Gold, so reichlich es auch zutage trat, dem Land noch nicht den ersehnten Reichtum gebracht hatte. Schon im Jahre 1884 hatte Mexiko einen verhängnisvollen Schritt getan, hatte, bevor noch das erste Öl im Lande gefunden wurde, zugunsten ausländischer Investoren auf alle unterirdischen Ressourcen verzichtet. Als dann 1901 aus Tampico und bald darauf vom Isthmus die ersten Funde gemeldet wurden, machten die fremden Ölgesellschaften sich im Lande breit. Die Quellen begannen zu sprudeln, und die täglichen Förderquoten wuchsen stetig an. Später wurden die Ölgesellschaften verstaatlicht, doch auch diese Maßnahme brachte dem Land nicht den gewünschten Erfolg. Korruption, Mißwirtschaft und die Schwankungen auf dem Weltmarkt führten sogar dazu, daß für den Eigenbedarf Öl aus Venezuela eingeführt werden mußte.
    Trotz alledem stand es für James Hamilton fest: So wechselvoll das Geschäft mit dem weltweit begehrtesten Rohstoff in Mexiko auch sein mochte, Geld ließ sich in dieser Branche immer verdienen, wenn man die für den Einstieg notwendigen Eigenmittel besaß. Er hatte auch schon die ersten Kontakte geknüpft, hatte mit den wichtigsten Männern der staatlichen Ölgesellschaft PEMEX gesprochen, auch mit führenden Funktionären der Gewerkschaft, und die Zeichen standen gut. In zwei, drei Monaten, so schätzte er, würde er in konkrete Verhandlungen eintreten.
    Ja, er hatte, wie es schien, wirklich allen Grund zur Freude, und als er gegen drei Uhr am Morgen seine Madrugada erreichte, glaubte er einen Vorgeschmack zu verspüren von neugewonnener Macht, und das, obwohl er keinen Talisman in der Tasche hatte.

DRITTER TEIL
1
    Luise Pohlmann stand nackt vor dem großen Spiegel des Ankleidezimmers. War es seit der Brandnacht das zwanzigste, das fünfzigste oder gar schon das hundertste Mal, daß sie ihren einst so makellosen Teint überprüfte? Sie wußte es nicht, wußte nur, daß der Spiegel ihr Feind geworden war, allerdings einer, zu dem es sie immer wieder hinzog.
    Sie war noch in dem Schweizer Kurhotel. Zwar hatte sie sich inzwischen eine Wohnung in Rottach-Egern genommen, in der nun die wenigen geretteten Möbel standen, doch da sie Provisorien verabscheute, war sie dort noch nicht eingezogen.
    Kommissar Replin hatte sie, diesmal telefonisch, von der dramatischen Wende in den Ereignissen um ihren Mann unterrichtet. Er hatte Wert darauf gelegt, der Zeitung, an die der Bekennerbrief gegangen war, zuvorzukommen, damit sie von dem grauenhaften Mord in der Karibik nicht durch die Presse erführe.
    Mit der Rechten strich sie über die Narben in ihrem Gesicht.
Was nützen, dachte sie, die ausdrucksvollsten Augen und der einladendste Mund, wenn in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft eine solche Verheerung sich breitmacht? Wendet nicht jeder Mann mit Geschmack sich instinktiv ab von einer, die so aussieht? Gut, die Ärzte sagen, wenn’s endlich soweit ist, daß sie operieren können, kriegen sie mich wieder hin, aber ich bin sicher, da bleibt was zurück.
Sie trat einen Schritt zurück, prüfte im Spiegel ihre Narben an Armen und Beinen. Eine kleinere befand sich oberhalb des linken Fußgelenks. Wenn man nur flüchtig hinsah, konnte man die Stelle für den von einem Stoß herrührenden blauen Fleck halten. Am linken Oberschenkel

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