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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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normales Reisebüro?«
»Ja, aber es wundert mich nicht, daß sie ihren Laden dichtmachen mußten. Da kamen am Tag nicht mehr als drei oder vier Kunden, manchmal auch kein einziger. Ich hab’ die Tür ja dauernd vor der Nase.«
»Wie lange hat die Firma existiert?«
»Na, so ungefähr ein Jahr.«
»Haben Sie mal was von einer Madrugada gehört?«
» Madrugada? Natürlich kenn’ ich das Wort, aber sonst … nein.
Ich weiß nur, daß der Abend mir sympathischer ist.«
»Keine Kneipe, keine Werkstatt, kein Geschäft mit diesem Namen? Straße? Ort? Nichts?«
Der Wirt schüttelte den Kopf. Maibohm schob die dreißig Dollar ganz über den Tisch, und sofort verschwanden sie in der Hosentasche des Mexikaners.
»Danke, señor !«
»Wer hat denn jetzt die Räume nebenan? Wird wieder ein Reisebüro daraus?«
»Nein, da kommt ein Friseur rein. Im Moment sieht’s aus wie auf ’ner Baustelle. Nackte Wände, Leitern, Farbeimer, Tapetenrollen. Es sind zwei Zimmer, und die werden total renoviert.
Ich hab’ den Schlüssel. Wenn Sie wollen, können Sie mal reinsehen, aber es lohnt sich nicht.«
»Das weiß man nie. Gehen wir rüber!«
Einen Augenblick später standen die beiden Männer in dem ehemaligen Reisebüro, das in der Tat so aussah, als böte es nicht die geringste Chance für irgendwelche Entdeckungen.
»Die Handwerker haben schon Feierabend gemacht«, sagte der Wirt.
Als sie sich zum Gehen wandten, sah Maibohm neben der Tür einen großen Pappkarton, der bis zum Rand mit Papier gefüllt war. Er griff hinein und holte einen Reiseprospekt von Kalifornien heraus, blätterte kurz darin, warf ihn zurück.
»Was ist mit diesem Karton?« fragte er.
»Das ist Müll. Er wird morgen abgeholt. Die allerletzten Reste der AGENCIA MUNDIAL«
»Wenn ich Ihnen noch einmal zwanzig Dollar hinstrecken würde, könnte es dann sein, daß Sie die Augen zumachen, während ich diesen Müll da weghole?« Maibohm hatte den Geldschein schon in der Hand.
»Dafür trag’ ich Ihnen das Ding sogar zum Auto! Ist doch egal, wer das Zeug mitnimmt, die Müllmänner oder Sie.« Mit diesen Worten hatte er sich den schweren Karton bereits auf die Schultern geschwungen.
Sie gingen nach draußen, wo Maibohm ein Taxi heranwinkte.
Der Wirt verstaute seine Last im Kofferraum. »Was für ein verrückter Tag!« sagte er noch einmal und steckte das Geld ein.
»Besuchen Sie mich bald wieder! Ihren Espresso haben Sie dann gratis.«
»Okay. Ich weiß übrigens Ihren Namen gar nicht.«
»Antonio Reyes, señor, immer zu Ihren Diensten.«
»Und ich heiße Peter Schumacher und komme aus Österreich.«
Maibohm stieg ein, und das Taxi fuhr los.

8
    Die drei Männer saßen in Maibohms Zimmer auf dem dicken, flauschigen Teppichboden, um sich herum Berge von Papier. Es war schon halb zwölf in der Nacht, und sie hatten gemeint, in der Hotelhalle sei jetzt keine Beobachtung mehr nötig. Luise Pohlmann war nach ihrem kurzen Besuch in der Cafeteria gleich wieder ins ALAMEDA gefahren, hatte dort zu Abend gegessen, anschließend in der Bar zwei Kognaks getrunken und sich um zehn Uhr zwanzig zurückgezogen. Maibohm hatte vom Nachtportier erfahren, daß sie um acht Uhr geweckt werden wollte.
    Der große MUNDIAL-Karton stand leer in einer Ecke. Er war vollgepropft gewesen mit Prospekten, Rechnungen, Karteiblättern, Briefen, Flug-, Eisenbahn- und Busfahrplänen, Landkarten, Telex-Fahnen, Broschüren und manch anderen bedruckten und beschriebenen Papieren, wie sie zutage treten, wenn Schränke, Regale und Schubladen eines aufgegebenen Reisebüros leergefegt werden.
    »Das hier hätte nicht auf den Müllwagen, sondern in den Reißwolf gehört«, hatte Maibohm denn auch gleich zu Anfang gesagt, »aber die halten wohl nichts von Datenschutz.«
    So war ihnen die dritte Mahnung an einen señor Carlos Vergara Munoz zur Zahlung von zweitausendsechshundertfünfundvierzig Dollar unter die Augen gekommen und das Schreiben eines Passagiers, der Beschwerde führte über die üblen Ausdünstungen seines – immerhin namentlich genannten – Nachbarn auf einem Flug nach Europa, ebenso eine gewitzte Aufforderung, die Agentur möge die Rechnungen ihres Kunden bitte so abfassen, daß, je nach den Umständen der Reise, die Steuerbehörde, die Firmenleitung oder die Ehefrau an der Entstehung gewisser Nebenkosten keinen Anstoß nehmen könne.
    Hinter Nielson, der gerade Blatt für Blatt einen Kalender des laufenden Jahres durchsah, stand das etwa vierzig Zentimeter lange Modell einer Boeing 747. Zwar war

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