1991 Atlantik Transfer (SM)
Madrugada! «
Auf deutsch also: »Sag ihm, ich geh’ nachher zur Madrugada !«
»Geh’?« Maibohms Stimme verriet Begeisterung. »Wenn es in der MUNDIAL geschrieben wurde, und das ist ja wohl anzunehmen, dann wollte derjenige zu Fuß dahin, und das …«
»Nein.« Ganz entschieden kam Nielsons Einwurf. » Me voy benutzt man auch, wenn man fahren oder fliegen oder von mir aus auch reiten meint. Es heißt so etwas wie: ›Ich will nachher in die …‹, na ja und so weiter. Ich frag’ mich nur: Warum hat er das aufgeschrieben?«
»Ganz einfach«, meinte Maibohm. »Miranda telefonierte gerade, und da hat Morro, falls er der Schreiber ist, ihr den Zettel hingeschoben. Das Dumme ist nur, daß wir damit noch immer nicht wissen, was die Madrugada ist und wo wir sie finden können.«
Alle drei sahen ein, daß sie wieder mal etwas Interessantes, wenn nicht gar Aufregendes entdeckt hatten und trotzdem keinen Schritt vorangekommen waren. Sie legten das Telex auf den Nachttisch, und obwohl sie noch eine ganze Stunde weitersuchten, blieb es bei diesem einen besonderen Stück Papier, und ebenso blieb es dabei, daß sie nichts damit anfangen konnten, außer sich bestärkt zu fühlen in der Annahme, die Morgenfrühe, wiewohl vom Wortsinn her eine Zeitangabe, sei für Pohlmann oder Leuffen, sofern der noch lebte, ein bedeutungsvoller Ort.
Um halb zwei war die Arbeit beendet. Doch bevor Nielson und Thaden das Zimmer verließen, sagte Maibohm zu ihnen: »Morgen geh’ ich noch mal zu meinem neuen mexikanischen Freund, Antonio. Dann sind hoffentlich auch die Handwerker da, und ganz vielleicht wissen die ja irgendwas. Könnte doch sein, daß sie ihre Leitern und Farbtöpfe schon angeschleppt haben, als die Leute von der MUNDIAL noch da waren. Und natürlich knöpf ich mir auch Antonio wieder vor. Ich werde mir heute nacht das Hirn zermartern, um auf Fragen zu kommen, die ich ihm noch nicht gestellt hab’. Das ist es nämlich, ich weiß es doch von meinem Job her: Oft kriegt man nur deshalb das Falsche raus, weil man die falschen Fragen gestellt hat. Und ihr denkt bitte ebenfalls nach, womit ich Antonio noch löchern könnte!«
Am nächsten Morgen kam es zu einer dramatischen Situation.
Sie frühstückten, hatten sich wieder einen Tisch im Hintergrund gesucht, als plötzlich Luise Pohlmann an der Rezeption erschien. Und was sich durch ihren längeren Verbleib am Tresen schon ankündigte, wurde gleich darauf bestätigt durch den Hotelpagen, der ihr Gepäck brachte. Wieder mußten die drei eine blitzschnelle Entscheidung treffen, denn zumindest einer hatte ihr zu folgen. Wahrscheinlich würde es eine Fahrt zum Flughafen werden, und dann kam es darauf an, ob sie nach Deutschland zurückflog oder nach Guadalajara reiste, um dort das MUNDIAL-Pärchen ausfindig zu machen. Vielleicht würde sie aber auch einen ganz anderen Ort aufsuchen oder nur das Hotel wechseln. Die Männer beschlossen, daß Thaden sie überwachen sollte. Er eilte in sein Zimmer, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Unterdessen ging Maibohm zur Rezeption und frage Luise Pohlmann, ob sie zufällig nach Deutschland fliege und eine Postkarte mitnehmen könne. Zum ersten Mal war er ganz in ihrer Nähe, und obwohl sie wieder unter ihrer Drapierung versteckt war, empfand er auf Anhieb, daß von ihrer Erscheinung, ihren Bewegungen und ihrer Art zu sprechen eine starke Anziehungskraft ausging.
»Nein, tut mir leid, Deutschland nicht. Ich mache noch ein bißchen Urlaub in Mexiko.«
»Dann geht’s wohl nach Acapulco?«
»Vielleicht, ja, aber auch Cuernavaca ist sehenswert, ebenso Puerto Vallarta und Guanajuato und natürlich San Miguel Allende und Ixtapan de la Sal.«
Verdammt, dachte er, warum gleich ein halbes Dutzend Reiseziele?
Sie bezahlte ihre Rechnung mit Travellerschecks, was zum Glück einige Zeit in Anspruch nahm.
»Aber eine Frau und dann noch so eine … ganz allein in diesem Land, in dem es von Machos nur so wimmelt?«
»Eben«, sagte sie nur.
Er war verblüfft, fragte aber gleich weiter: »Haben Sie sich denn schon das Anthropologische Museum angesehen und die Pyramiden von Teotihuacán?«
»Das stimmt so«, sagte sie zu dem Mann an der Rezeption, und der antwortete: » Thank you very much, madam! «
»Oder die Plaza Garibaldi mit den Mariachi-Kapellen?« versuchte Maibohm sie aufzuhalten, denn Thaden war noch immer nicht zurück.
»Wissen Sie, alles, was touristisch ausgeschlachtet wird, sollte man meiden.«
»Da haben Sie auch wieder recht.«
Endlich! Der
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