1991 Atlantik Transfer (SM)
Freund kam aus dem Lift, in der Hand seine kleine Reisetasche.
»Okay«, sagte Maibohm zu Luise Pohlmann, »ich wünsche Ihnen noch einen schönen Aufenthalt.«
»Danke gleichfalls.«
Für die Fahrt zu Antonio mußte er sich ein Taxi auf der Straße suchen. Diesmal hatte er Pech mit dem Fahrer. Der schon ältere Mann, der außer dem Gekreuzigten und der Jungfrau Maria noch anderes Bibel-Personal vor die Windschutzscheibe gehängt und dann auch noch das Armaturenbrett mit frommen Sprüchen garniert hatte, war so fromm wohl doch nicht, denn nachdem Maibohm ihm das Ziel genannt hatte, schlug er die falsche Richtung ein, fuhr am Palacio de Bellas Artes vorbei, überquerte die Lázaro Cárdenas und erreichte schließlich den Zócalo mit dem Nationalpalast und der Kathedrale. Von seinem Stadtplan her wußte Maibohm, wo sie sich befanden und daß die zu erwartende Erklärung des Fahrers, er ziehe die weniger verstopften Straßen vor, nichts als eine faule Ausrede sein würde. Aber auf sein energisches » I said Insurgentes! « kam nur ein schlichtes » Perdóneme! « , und nach einem halsbrecherischen Wendemanöver, bei dem die gesamte Heilige Familie Zustimmung zu nicken schien, ging es auf Gegenkurs. Da trotz der erheblich verlängerten Strecke am Ende ein akzeptabler Preis herauskam, zahlte er den Betrag ohne Kommentar.
Als erstes versuchte er es an der Tür der MUNDIAL, aber sie war verschlossen, und so betrat er die Cafeteria, begrüßte Antonio mit Handschlag.
»Einen Espresso?«
»Ja, gern.«
Wenige Minuten später saßen die beiden Männer an eben dem Tisch, über den in wohldosierten Schritten die dreißig Dollar gewandert waren.
»Ich muß Sie noch einmal fragen: Ist Ihnen nicht doch irgendwann die Madrugada untergekommen, ohne daß damit die wirkliche Morgenfrühe gemeint war? Haben Gregorio oder Miranda den Ausdruck vielleicht mal benutzt?«
Antonio gab sich Mühe, antwortete nicht spontan, kniff sogar die schwarzen Augen zusammen und legte die braune Stirn in Falten, was in der Tat nach fast grimmig betriebenem Nachdenken aussah. Aber dann folgte doch nur das Bekenntnis: »Es tut mir leid, señor; mit der Morgenfrühe hatte ich höchstens als Junge zu tun, in der kleinen Bäckerei meines Onkels. Da mußte ich schon um vier Uhr aufstehen; aber sonst …? Nein, wirklich nicht. Was soll sie denn eigentlich sein, Ihre Madrugada ?«
»Das weiß ich eben nicht; vielleicht irgendeine Firma. Aber lassen wir das! Sie haben gestern gesagt, die MUNDIAL hätte nicht viel Zulauf gehabt. Kann es sein, daß sie nur zur Tarnung als Reisebüro gearbeitet hat? Sie wissen, es gibt Geschäfte, die nach außen hin ganz normal erscheinen, in Wirklichkeit aber ein Umschlagplatz für Waffen, Drogen und ähnliches sind.
Könnte …«
»Nein, nein, den Eindruck hatte ich nicht!«
»Gab es denn irgendwelche Leute, die regelmäßig kamen, vielleicht keine Kunden, sondern Personen, die mit Gregorio oder Miranda auf andere Weise zu tun hauen, zum Beispiel Freunde von ihnen?«
»Ja. Luciano war manchmal da, Gregorios Bruder. Er kam immer in einem langen, schwarzen CADILLAC mit getönten Fensterscheiben.«
Maibohm stutzte. Von einer langen, schwarzen Limousine mit dunklen Scheiben war schon einmal die Rede gewesen, nämlich als Heinrich Nielson erzählt hatte, mit was für einem Auto sein blinder Passagier in Veracruz abgeholt worden war. Natürlich, es konnte sich um eine zufällige Übereinstimmung handeln, aber immerhin hatte, wie er jetzt erfuhr, ein auffälliger schwärzer Wagen an einem Ort gestanden, an dem Luise Pohlmann erschienen war, um sich Informationen zu holen.
»Kennen Sie die Nummer des Wagens?«
»Leider nein, aber ich hab’ gesehen, daß er aus dem Staat Tlaxcala war.«
»Und wo liegt dieser Staat?«
Antonio zeigte mit dem Daumen über die Schulter. »Es ist die nächste Provinz im Osten.«
»Und wie heißt die Hauptstadt?«
»Tlaxcala, wie der Staat.«
Maibohm machte sich ein paar Notizen, und dann fragte er: »Wissen Sie, was dieser Luciano beruflich macht?«
»Gregorio hat mir nur ganz allgemein erzählt, sein Bruder hätte einen tollen Job.«
»Fuhr er den Wagen selbst, oder saß er hinten?«
»Warten Sie, da muß ich überlegen! Ja, mehrmals kam er mit Chauffeur, aber manchmal hat Luciano den langen CADDYauch selbst gefahren. Ich hab’ noch zu ihm gesagt: Bei der unverschämten Länge brauchst du ja eigentlich zwei Lizenzen.«
»Wie oft war er hier?«
»Na ja, vielleicht zehn- oder zwölfmal in dem
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