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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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der Plastik-Jumbo nicht mehr ganz unversehrt; sein Fahrwerk war eingeknickt, das Seitenleitwerk verbogen, und auch der Rumpf hatte ein paar Dellen, aber vorstellen konnte man sich dennoch, wie werbewirksam der schmucke Flieger auf einem der MUNDIAL-Schreibtische gestanden haben mochte.
    »Deprimierend«, sagte Thaden, »wenn man nach etwas sucht und nicht weiß, wonach.«
»Genau«, meinte Nielson. »Dagegen ist die Suche nach einem Schiff ’ne klare Sache. Aber mal dir bitte aus, da taucht plötzlich der Brief eines Herrn Pohlmann oder Leuffen auf, mit Adresse!«
»Nun greif nicht gleich nach den Sternen!« sagte Maibohm.
»Eher müssen wir wohl damit rechnen, daß diese Maulwurfsarbeit überhaupt nichts bringt. Na ja, wenigstens kriegt man mal wieder mit, wie schön die Erde ist. Hier zum Beispiel …«, er hob einen auseinandergezogenen Faltprospekt hoch und schwenkte ihn hin und her, »Sri Lanka! Wirklich eindrucksvoll. Aber ich muß aufpassen, darf mich nicht verzetteln!« Er warf den Prospekt hinter sich.
Thaden stand auf, holte Bier aus der Zimmerbar, schenkte jedem ein Glas ein. Sie machten eine Pause, tranken, und danach ging es weiter, Blatt für Blatt, Rechnungen, Briefe, Fahrpläne, vor allem aber vielfarbige, blickfängerisch aufgemachte Prospekte voller Fotos von den Stränden Hawaiis und den Wäldern Kanadas, von pulsierenden Millionenstädten und verträumten Dörfern, von alpinen Schneelandschaften und ebenso weißen Luxuslinern.
Thaden erwischte ein buntes Heft mit Aufnahmen von Washington, und flüchtig erinnerte er sich an seine nächtliche Busfahrt; sie schien ihm lange zurückzuliegen und war doch schon Teil gewesen derselben Jagd, die ihn jetzt dazu zwang, in diesem Papierhaufen herumzuwühlen. Sorgfältig überprüfte er jede einzelne Seite, immer auf der Suche nach einem dienlichen Hinweis, irgendeinem handschriftlichen Vermerk, aber dann wich auch er von der eigentlichen Aufgabe ab und verlor sich für eine Weile an die Bilder, an das beleuchtete Jefferson Memorial und das Capitol, an das Blaue und das Rote Zimmer der amerikanischen Präsidenten und die Wasserfontänen vor dem Weißen Haus, an die Kirschblüten am Ufer des Potomac und an John F. Kennedys Grabstätte auf dem Ehrenfriedhof von Arlington. Und er dachte an Sigrid und Arndt und daran, daß er diese Stadt irgendwann zusammen mit ihnen besucht hätte.
Nielson, offenbar ausgestattet mit einem feinen Gespür für derlei Abschweifungen seiner Mitarbeiter, sagte: »Ihr sollt keine Reisepläne schmieden, sondern nach Spuren suchen!«
» Aye, aye, Sir! « erwiderte Thaden und legte den kleinen Reiseführer zu den bereits erledigten Papieren, fügte aber noch hinzu. »Da wir gerade von Reisen reden … also die, die wir jetzt machen, geht auf mein Konto. Klar, daß ich diese Kosten allein trage!«
»So klar ist das nicht«, antwortete Nielson, »immerhin hab’ auch ich mit Pohlmann was zu regeln.«
»Trotzdem, ich möchte es!« Thaden sagte es mit viel Nachdruck, und da gab es keinen Widerspruch mehr. Sie arbeiteten weiter, still und ausdauernd, bis Nielsons Aufschrei kam. Sein » Caramba! « war so laut, daß die beiden anderen ihn erstaunt ansahen. Und was tat der Kapitän? Er bot ihnen eine ergötzliche Einlage. Sein Papier in der Hand, machte er vor lauter Eifer eine halbe Rolle rückwärts, zerquetschte dabei den hinter ihm geparkten Jumbo, rollte wieder nach vorn und kam mit dem so gewonnenen Schwung auf die Beine. »Hört mal«, sagte er, »was auf der Rückseite von diesem Telex steht, mit der Hand geschrieben: › Dile que después me voy a la Madrugada! ‹«
Auch Thaden und Maibohm waren aufgestanden. Zu dritt betrachteten sie den Fund. Das Telex war nur eine Mitteilung über die voraussichtliche Beendigung eines Fluglotsenstreiks, aber die private Notiz hatte es in sich, jedenfalls nach Nielsons Meinung. »Da ist sie wieder«, sagte er, »unsere Madrugada !«
»Was heißt das Geschreibsel denn auf deutsch?« fragte Maibohm.
»Daß der Betreffende, also der, der das geschrieben hat, sich zur Madrugada begeben will.«
»Bist du sicher?« fragte Thaden. »Oder will er in der Morgenfrühe irgendwohin? Dann war’s nur ’ne Zeitangabe.«
»Nein, nein, es ist eindeutig. Die Zeit wird durch das Wort después bestimmt; das heißt nachher. Außerdem ist Madrugada großgeschrieben, das deutet auf einen Eigennamen hin.«
»Wie heißt der ganze Satz noch gleich?« fragte Maibohm.
Nielson wiederholte: » Dile que después me voy a la

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