1991 Atlantik Transfer (SM)
MELLUM-Katastrophe Frau und Kind verloren hat, und überhaupt, seit ich weiß, daß einundzwanzig Menschen dabei umgekommen sind, hasse ich dieses Geld. Ich könnte es verbrennen oder wegwerfen oder dir geben, nur darfst du es nicht als eine Bezahlung für deine Hilfe ansehen.«
» Bueno … « , Pepe nahm den Umschlag in die Hand, »verbrennen wäre keine gute Lösung, und wenn du es wegwirfst, ist es womöglich Umberto Villalpando, der es findet, mein ärgster Konkurrent. Er hat sein Restaurant drei Häuser weiter, und mit den zehntausend Dollar würde er sich sofort vergrößern oder sonstwas veranstalten, um mich auszustechen.«
Diese reichlich verschrobene Logik amüsierte Nielson, aber er ließ es sich nicht anmerken.
»Steck es ein!«
Der Umschlag verschwand in Pepes Hosentasche.
»Und was, wenn ich euch gar nicht helfen kann?«
»So oder so bleibt es dabei, daß ich mit diesem Geld nichts zu tun haben will.«
»Was soll ich machen?«
»So genau weiß ich das noch nicht. Auf alle Fälle müßtest du morgen mit mir nach Tlaxcala fahren. Wir wollen herausfinden, ob der Chef der Madrugada Ernst Pohlmann ist. Von uns dreien, also Thaden und dem Reporter, Maibohm heißt er, und mir, bin ich der letzte, der da erscheinen dürfte. Mich kennt er ja. Aber auch für die beiden anderen wäre es riskant. Sie sprechen zwar englisch, aber man hört doch, daß sie Deutsche sind.
Bestimmt hat Pohlmann trotz der Gründlichkeit, mit der er sein Sterben vorgeführt hat, immer den Gedanken im Hinterkopf, plötzlich könnte die Polizei vor seiner Tür stehen. Kurzum, am besten ist ein waschechter Mexikaner.«
»Gut. Was soll der tun?«
»Kontakt aufnehmen. Du kannst vorgeben, ein Stück Land pachten zu wollen. Du hast ein paar Kühe geerbt und brauchst nun eine Weide.«
»Und wenn er mir dann wirklich was verpachten will?«
»Dann gefällt dir eben sein Preis nicht. Wichtig ist, daß du ihn fotografierst. Maibohm hat eine winzige Kamera, die gleichzeitig als Feuerzeug dient. Es müßte dir gelingen, ein paar Schnappschüsse zu machen. Aber wenn das nicht klappt, gibt’s noch eine andere Methode. Im Hotel haben wir Fotos von Pohlmann, ungefähr ein halbes Dutzend. Die guckst du dir an, studierst sie regelrecht, bis seine Visage dir im Gedächtnis sitzt.
Und wenn du ihn dann vor dir hast, weißt du, ob er unser Mann ist.«
»Land zu pachten ist ’ne gute Idee. Aber was wollt ihr denn mit ihm machen, wenn ihr sicher seid, daß er es ist?«
»Dann werden wir dafür sorgen, daß die Polizei ihn festnimmt.«
»Unsere?« Es war ein ungläubiger Blick, mit dem Pepe Nielson ansah.
»Natürlich wird auch die deutsche Botschaft informiert. Soweit ich weiß, besteht zwischen deinem und meinem Land ein Auslieferungsvertrag.«
Pepe wiegte den Kopf. »Du sagst, er ist stinkreich. Offenbar hast du keine Ahnung, wie schwer es hierzulande ist, einen stinkreichen Mann hinter Schloß und Riegel zu bringen, noch dazu einen, der sein Süppchen woanders gekocht hat. Fotografieren will ich ihn gern, aber damit habt ihr ihn noch lange nicht.«
Nielson war nachdenklich geworden. Er kannte die lateinamerikanischen Verhältnisse und wußte, daß Pepe recht hatte.
»Dann müssen wir uns was anderes einfallen lassen«, sagte er.
»Ob wir selbst ihn festsetzen sollten? Nein, das geht nicht. Es wäre ein echtes Kidnapping.«
»Na und? Was hat er denn auf deiner CAPRICHO gemacht? Er hat den Funker als Geisel genommen und euch damit an der Rettungsaktion gehindert! Bei seinem Kidnapping sind einundzwanzig Menschen zu Tode gekommen! Also, ich würde mir den Mann holen; das steht fest.«
»Und dann?«
»Wenn es meine Frau und mein Kind gewesen wären, wüßte ich, was ich zu tun hätte.«
»Mein Gott, Pepe! Doch nicht Auge um Auge, Zahn um Zahn! Nein, wir müssen einen Weg finden, bei dem absolut sicher ist, daß er nach Deutschland gebracht wird. Am besten, wir schnappen ihn und informieren die deutsche Polizei und auch Interpol, bevor wir den Mexikanern was sagen. Dann kann er uns nicht entwischen.«
Erst um ein Uhr verließen sie das Restaurant. Nielson übernachtete, wie er es bei jedem seiner Besuche getan hatte, in Pepes Haus im Carril Rancho de la Rosa.
12
Maibohm war es gewohnt, sich einem Gegenstand seiner Nachforschungen aus dem Hinterhalt zu nähern, sei es, daß er – verdeckt von einer Säule oder einem Mauervorsprung – im Foyer eines öffentlichen Gebäudes politischer Prominenz auflauerte, um im geeigneten Augenblick zu seinem Interview zu
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