1991 Atlantik Transfer (SM)
Bäume, Blumenbeete, Sträucher.
Das vielleicht zwanzig Meter lange Becken hatte einen breiten gefliesten Rand, auf dem ein paar Tische und Liegestühle standen. Das alles war deutlich zu erkennen, denn jetzt mußte er sich nicht mehr mit dem Schein des Mondes begnügen, sondern hatte dazu noch das Licht zahlloser kleiner Lampen, die über die ganze Anlage verteilt waren.
Und ein weiteres Licht entdeckte er, ein beleuchtetes Fenster ganz am Ende des Gebäudes. Er ließ sich wieder hinab, setzte seinen Weg fort. Nach zwanzig Schritten zog er sich erneut an der Mauer hoch, hatte das Fenster nun genau vor sich. Hier gab es keine Stütze für seinen Fuß, aber mit einiger Mühe schaffte er es, die Ellenbogen auf die Kante zu legen, und dann dauerte es nicht mehr lange, bis er einen regelrechten Logenplatz hatte: Er saß auf der Mauer und ließ die Beine ins fremde Revier hängen.
Und sah durch das Fenster. In dem Zimmer stand ein Mädchen, das ein weißes Nachthemd trug und sich kämmte. Eine verrückte Zeit für so was, dachte er, doch sogleich fiel der junge Mann ihm ein, der auf dem Fahrrad von der Hacienda gekommen war. Dann hatte ich wohl recht, sagte er sich. Die beiden haben ihren Spaß gehabt, und nun ist sie dabei, sich wieder herzurichten. Ihr Gesicht konnte er nicht erkennen, denn sie stand seitlich zu ihm, aber er bestaunte das lange, bis auf die Hüften herabhängende schwarze Haar. Er bedauerte, sein kleines Fernglas nicht eingesteckt zu haben. In der Hemdtasche steckte nur das Feuerzeug, das zugleich ein Fotoapparat war.
Das Mädchen verschwand aus seinem Blickfeld, und dann erlosch das Licht. Vorsichtig ließ er sich in den Garten hinunter, wollte so schnell wie möglich an die Hauswand gelangen. Das war gefährlich und nützlich zugleich. Einerseits verringerte jeder Schritt, den er tat, die Chance zu entkommen, andererseits verkleinerte sich damit auch das Risiko, entdeckt zu werden, denn in der Nähe des Gebäudes würde man ihn wegen des verengten Blickwinkels nur schwer ausmachen können. Jetzt hatte er das Schwimmbad erreicht, schlich sich an dessen Schmalseite entlang, trat aber nicht auf die Fliesen, sondern blieb weiterhin auf dem weichen Rasen, wollte gerade mit kleinen, behutsamen Schritten die letzten paar Meter zur Hauswand zurücklegen, da ertönte wütendes Gebell, und im selben Augenblick schoß ein großer, schwarzer Hund auf ihn zu. Er erschrak zu Tode, als er an dem bulligen Kopf und dem massigen Körper erkannte, daß es ein Rottweiler war. Doch zum Glück lief der Hund über die Kacheln an der Längsseite des Beckens, und die waren so glatt, daß die Pfoten nicht richtig faßten und der Lauf verzögert wurde. Er hörte das Stakkato der Krallen auf der harten Glasur und nutzte die einzige Chance, die ihm noch blieb. Mit drei, vier raschen Schritten war er am Beckenrand und sprang ins Wasser. Das aufgebrachte Tier machte es ihm nach. Sofort bewegte er sich bis zur Mitte des Beckens weiter. Hier war das Wasser gut anderthalb Meter tief, und das verschaffte ihm gegenüber dem Rottweiler einen unschätzbaren Vorteil. Er konnte stehend den Angriff erwarten und auch noch, was ihm schwimmend so schnell nicht gelungen wäre, den Pullover ausziehen und um seine Hand wickeln.
Inzwischen war der Hund herangekommen. Mit der abgepolsterten Rechten versetzte er ihm einen Schlag auf die Schnauze.
Das Resultat war die gesteigerte Wut des Vierbeiners, der es aber, wie Maibohm befriedigt feststellte, mit seiner Attacke nicht leicht hatte, weil ihm der feste Untergrund fehlte. Das kompakte, bestimmt fünfundsiebzig Kilo schwere Tier bewegte sich äußerst schwerfällig, und er war froh, daß er es nicht mit einem schlankeren, wendigeren Gegner zu tun hatte, einem Dobermann zum Beispiel. Trotzdem war es kein Kinderspiel, was sich nun in Sekundenschnelle abspielte. Er wußte, jeden Augenblick konnten, durch den Lärm aufgeschreckt, die Hausbewohner herbeieilen, und dann säße er in der Falle. Er streifte sich den Pullover ab, packte mit beiden Händen den Nacken des Hundes und versuchte, den schweren Körper unter die Wasseroberfläche zu drücken. Das gelang auch, hatte aber seinen Preis.
Der Rottweiler reagierte mit einem Reflex, riß den Kopf herum und grub die Zähne in den Oberschenkel seines Widersachers.
Maibohm verbiß den höllischen Schmerz und tat alles, damit eine solche Attacke sich nicht wiederholen konnte. Er drückte den Hund von sich weg und sorgte gleichzeitig dafür, daß die
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