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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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natürlich gern wissen, wie Sie das Unglück erlebt und überstanden haben. Wolbrügge sagt, Ihre Frau sei sehr aufgeregt gewesen, weil Sie nicht da waren. Sie vermutete Sie auf dem Vorschiff und verlangte vom Kapitän, daß man Sie da weghole, was aber ja unmöglich war, weil das Heck sich schon vom übrigen Schiff gelöst hatte. Würden Sie mir bitte kurz erzählen, wie es Ihnen ergangen ist?« Breckwoldt zog Notizbuch und Kugelschreiber heraus. »Ich muß ein paar Stichworte festhalten für den Bericht an die Reederei.«
Jacob Thaden erzählte, sprach langsam, berichtete von der Explosion, von der Wucht, mit der sie ihn gegen das Schanzkleid geworfen hatte, und von seinem verzweifelten Wunsch, aufs Achterschiff zu gelangen. Er schilderte seine Erlebnisse bis hin zu dem Moment, als er sich wieder auf den Poller gesetzt hatte, um das Tageslicht zu erwarten, und dann fuhr er fort: »Es waren entsetzliche Stunden, weil ich nicht wußte, wie es um meine Familie stand und um die anderen. Ich empfand es als etwas durch und durch Zwiespältiges, dieses Dasitzen auf dem Poller und das Warten auf den Tag. Was würde er mir bringen? Eine leer gefegte See? Oder würden aus dem ersten Lichtschimmer doch noch Konturen heraustreten? Vielleicht sogar die Aufbauten der MELLUM? Oder wenigstens Boote? Irgendeine Szenerie, die noch nach einer möglichen Rettung für alle aussah? Aber da war nichts, als es dann endlich hell wurde. Gar nichts war da. Nicht mal ein paar treibende Planken, wie sie doch eigentlich zu einem Schiffsuntergang gehören. Nichts.« Er stockte, und Breckwoldt war so vernünftig zu warten.
»Da macht man sich dann«, ging es weiter, »sehr lustlos an die eigene Rettung. Das einzige, woraus ich noch ein bißchen Mut schöpfte, war die Vorstellung, der Sturm hätte die Rettungsboote vielleicht so weit weggetrieben, daß ich sie nicht mehr sehen konnte und daß ein Schiff sie fände oder ein Flugzeug. Ja, und dann startete ich mit meiner Rettungsinsel. Das hört sich so einfach an, aber bei dem Seegang und mit meinem Laienverstand war es ein ziemlich schwieriges Geschäft. Ich suchte mir den niedrigsten Platz des Wracks. Der war an der Bruchstelle.
Da hing das Deck schon fast ins Meer, und so gelang es mir, mein Fahrzeug zu Wasser zu bringen, es an der Leine festzuhalten und dann einzusteigen.«
»Sie haben«, unterbrach ihn Breckwoldt, »ja nun Gott sei Dank überlebt. Aber was hat Sie bewogen, das Wrack zu verlassen? Es versprach doch eigentlich viel eher Rettung, weil es leichter entdeckt wird, sei es von See aus oder aus der Luft.«
»Ja, das hatte ich mir auch überlegt, aber dann trieb mich die Unruhe. Ich glaubte tatsächlich, auf meine Familie zu treffen, wenn ich mich mit der Rettungsinsel auf den Weg machte.
Außerdem, irgendwann würde das Wrack ja doch sinken, und ich hab’ mal gehört, daß bei so einem Schiffsuntergang ein Sog entsteht, der die Menschen mit in die Tiefe zieht. Beide Überlegungen waren sicher sehr naiv, aber so dachte ich nun mal. Ja, und dann muß ich Stunden um Stunden auf dem Atlantik getrieben sein. Die Kälte war schrecklich, aber das Schlimmste war, daß ich mir immer wieder ausmalte, wie meine Frau und mein kleiner Junge wohl mit einer solchen Rettungsinsel zurechtkämen, falls sie womöglich allein darin säßen. Schon das Sichfesthalten war schwer genug. Und natürlich hatte ich auch Angst, die beiden würden kentern. Wieviel Kraft haben denn schon eine Frau und ein sechsjähriges Kind! Unentwegt hielt ich Ausschau, aber mit jeder Viertelstunde, die verging, wurde die Gewißheit größer, daß ich allein war. Irgendwann muß ich ohnmächtig geworden sein, und ich kann mir mein Überleben nur so erklären, daß wahrscheinlich genau zu dem Zeitpunkt der Sturm nachgelassen hat. Sonst wäre ich unweigerlich über Bord gegangen. Das Nächste, was ich dann sah, war dieses Zimmer. Ich glaube, man hat mich mit Medikamenten vollgepumpt; ich hab’ schon versucht aufzustehen, aber es ging nicht.«
Thaden war erschöpft von seinem langen Bericht, doch wollte er sich jetzt keine Pause gönnen.
»Ist es nicht doch möglich«, fragte er, »daß da noch andere Rettungsinseln treiben, mit Überlebenden drin?«
»Die Suche ist noch nicht aufgegeben worden. Nur, die Aussichten, jemanden lebend zu finden, werden immer geringer.«
»Wie viele Flugzeuge sind im Einsatz?«
»Die Zahl kenne ich nicht, aber ich weiß, daß die Amerikaner alles Verfügbare für diese Rettungsaktion mobilisiert

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