1991 Atlantik Transfer (SM)
weil Sigrid und Arndt nicht mehr da waren.
Gleich nach seiner Rückkehr hatten sich jene drei Menschen bei ihm gemeldet, die ihm nun die Nächsten waren, seine Eltern und sein Freund Wulf Maibohm, Reporter bei einer Hamburger Illustrierten. Sie hatten ihn angerufen und gesagt, sie würden, wenn er es wünsche, sofort kommen, um ihm beizustehen.
Aber er hatte erklärt, er nehme noch immer Abschied und brauche dafür die völlige Zurückgezogenheit. Der Freund hatte ihn verstanden und in Ruhe gelassen. Die Eltern hatten ihn ebenfalls verstanden, waren aber trotzdem gekommen. Und das war gut gewesen. Er hatte gespürt, daß sie und nur sie sich über seinen Wunsch nach Alleinsein hinwegsetzen durften. Sie lebten, weil der Vater an Rheuma litt und auf Heilbäder angewiesen war, im bayerischen Griesbach, hatten sich dort ein kleines Haus gekauft, nachdem sie die Baumschule frühzeitig an ihn übergeben hatten. Sie waren drei Tage bei ihm geblieben. Ihr Versuch, ihn wenigstens ein kleines Stück aus seiner Verzweiflung herauszuholen, war gescheitert. So hatten sie sich schließlich auf praktische Hilfe beschränkt. Die Mutter hatte den Haushalt in Ordnung gebracht und auch eine Putzfrau eingestellt, die künftig jeden Vormittag für ein paar Stunden kommen würde, und der Vater hatte sich um die Angestellten gekümmert. Und noch etwas hatte er übernommen. Wie vor jeder großen Reise hatten Rolf und Sigrid auch diesmal eine Lebensversicherung abgeschlossen. Paul Thaden hatte sich von seinem Sohn eine Vollmacht geben lassen und den Antrag auf Zahlung der Versicherungssumme gestellt. Inzwischen hatte er aus Griesbach geschrieben, wegen der Verschollenheit auf See müsse noch eine gewisse Zeit verstreichen, aber dann stehe der Auszahlung nichts im Wege. Die Nachricht hatte in Jacob Thaden eine zusätzliche Erschütterung ausgelöst. Er kam nicht weg von der Vorstellung, der Betrag von einer Million Mark, der ihm da ins Haus stand, solle ein Äquivalent darstellen für das, was er verloren hatte.
Es war drei Uhr nachmittags und der zweiundzwanzigste Tag nach seiner Rückkehr. Er hatte sich angewöhnt, die Tage zu zählen, und mit jedem weiteren wuchsen die Selbstvorwürfe, so, als wäre es etwas Ungehöriges, am Leben zu bleiben.
Der Betrieb lief. Seine Leute verrichteten ihre Arbeit wie eh und je, angeleitet vom alten Ludwig Franzen, der schon seit drei Jahrzehnten zur Firma gehörte. Jahreszeitlich bedingt, waren es nicht viele Besucher, die kamen, aber doch vier, fünf Dutzend jeden Tag. Die meisten der Winterkunden kannte Jacob Thaden persönlich, und früher hatte er sich immer gern mit ihnen unterhalten, entweder im Laden oder auf dem großen Platz davor oder auch in einem der Treibhäuser. Jetzt mied er den Kontakt mit ihnen. Sobald er sie kommen sah, verschwand er, flüchtete in die große, mit einem Kuppeldach versehene Halle, in der es ein umfangreiches Sortiment an GartenbauZubehör, vom grünen Bindebast bis zum Elektromäher, gab. Und wenn zu erwarten stand, daß sie gerade in diese Halle wollten, floh er weiter und versteckte sich draußen zwischen den fast mannshohen Kiefern.
Natürlich konnte es so nicht bleiben. Ein paar Wochen Schonfrist, nun gut, die billigte man ihm wohl noch zu, aber dann würde auch in der Firma PAUL THADEN & SOHN die übliche lapidare Hinterbliebenenlosung gelten, das Leben gehe weiter, und er habe wieder zur Verfügung zu stehen.
Dabei hatte er erstklassige Mitarbeiter. Von den achtundvierzig Männern und Frauen hatten die meisten schon unter der Leitung seines Vaters gearbeitet. Die Firma zählte im norddeutschen Raum zu den führenden ihrer Branche, und man sah es dem drei Hektar großen Besitz nicht an, daß er aus einem winzigen Laden hervorgegangen war, in dem Gesine Thaden, seine Großmutter, Samen und Spezereien verkaufte, während ihr Mann als Landvermesser tätig war. Im Jahre 1950 hatte Paul Thaden nach Abschluß seiner gärtnerischen Ausbildung das kleine Geschäft übernommen. Er pachtete Land von den Bauern seines Dorfes, das damals noch nicht zur Hansestadt gehörte, und begann mit der Aufzucht und dem Verkauf von Kiefern, Tannen, Fichten, Eiben, Wacholdergewächsen, Zypressen und einigen immergrünen Laubgehölzen. Hamburgs Wiederaufbau umfaßte nicht nur die von den Bomben zerstörten Häuser und Straßen, sondern auch die während der Kriegs- und Nachkriegsjahre vernachlässigten oder weitgehend für den Anbau von Kartoffeln und Gemüse genutzten Gärten.
Sobald
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