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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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die Menschen wieder in Lohn und Brot standen und in den Läden kein Mangel mehr herrschte, besann man sich darauf, daß Gärten auch fürs Auge da waren. So lag Paul Thaden gut im Trend, und nach einigen Jahren war er in der Lage, die gepachteten Ländereien zu kaufen. Und es ging immer weiter bergauf. Er baute Treibhäuser, Ausstellungs- und Lagerhallen und schließlich auch ein Wohnhaus auf seinem Gelände, sorgte für Vielfalt im Angebot und eine trotz der Vielfalt gewährleistete Übersicht. Das Areal war in vierunddreißig Sektionen aufgeteilt und mit Wegweisern und Informationstafeln ausgestattet. Am Eingang, gleich neben dem Parkplatz, stand ein gutes Hundert an flachen Karren, mit denen die Kunden auf breiten Wegen die Phalanx der Blütensträucher und Heckenpflanzen, der Farne und Gräser, der Rosen und Obstgehölze, der Heidesorten und Teichgewächse abschreiten oder in den Treibhäusern ihre Bahnen ziehen und mühelos einsammeln konnten, was ihnen gefiel. Oft kamen Menschen, die nicht kaufen, sondern nur sehen wollten, so, als gälte es, einen botanischen Garten zu durchstreifen. Auch diese Besucher waren willkommen, denn es waren die Kunden von morgen.
    Im Moment war es ruhig im Betrieb. Einige der Angestellten tranken in der Halle ihren Nachmittagskaffee, und die beiden Lehrmädchen versorgten die Schnittblumen im Laden mit frischem Wasser. Jacob Thaden ging ins Büro, setzte sich an den Schreibtisch, mochte wieder einmal die Pause nicht mit seinen Leuten verbringen. Auch sein Umgang mit ihnen hatte sich verändert. Auf beiden Seiten herrschte große Zurückhaltung.
    Die Angestellten spürten: Er war nicht mehr der, der er gewesen war. Natürlich wußte er, daß er ihnen entgegenkommen und sie aus ihrer Hilflosigkeit befreien müßte, aber noch war er nicht bereit zur Rückkehr ins Normale. Jeder Versuch wäre ihm wie Verrat vorgekommen.
    Vielleicht, überlegte er, sollte ich alles verkaufen oder verpachten und wegziehen aus dieser Gegend, weit weg, weil hier jeder Meter Boden und im Haus jeder Winkel zur Falle wird, in die ich, wenn ich nicht aufpasse, hineintappe. Da gibt es ja nicht nur die Schränke mit Sigrids Kleidern. Deren Türen kann ich einfach geschlossen lassen. Und den Globus, der bei Hamburg und seit dem Herbst, als die Ferienpläne reiften, auch bei Brasilien schon ganz abgegriffen ist von Arndts Fingern und der bei Quebec sogar einen Schokoladenfleck hat, kann ich wegschließen oder verschenken. Aber es gibt ja auch die vielen versteckten Fallen, die nicht auf Anhieb zu erkennen sind. Zum Beispiel Ludwigs wettergegerbte Hand. Gestern erst. Ich sehe, wie sie, schnell und doch behutsam, die Gladiolenzwiebeln sortiert, denke an nichts Böses, und plötzlich ist sie da, die Falle, und schnappt auch sofort zu. Die Narbe! Der etwa vier Zentimeter lange, quer über Ludwigs Handrücken verlaufende Schnitt, der – es ist noch kein halbes Jahr her – genäht werden mußte. Arndt hatte unbedingt helfen wollen, war auf den dreistufigen Tritt geklettert und holte Blumentöpfe vom Regal herunter. Ludwigs rechte Hand lag auf dem obersten Trittbrett der kleinen Leiter, neben Arndts Füßen, so daß sie, sollte der Junge fallen, sofort zupacken konnte. Arndt fiel nicht, aber etwas anderes fiel, nämlich ein Turm von fünf ineinandergestellten Blumentöpfen. Wären es die leichten aus Plastik gewesen, hätte es nichts ausgemacht, aber es waren die dickwandigen aus Ton. Da Ludwig nicht nach oben, sondern auf Arndts Füße gesehen hatte, zog er die Hand nicht schnell genug zurück, und der schwere Stapel traf sie. Es gab Scherben, und eine messerscharfe Kante des zerspringenden Materials zog einen tiefen Schnitt. Das also passierte vor einem halben Jahr, und das Zwiebelsortieren war gestern, und nichts ließ befürchten, daß mein zufälliger Blick auf Ludwigs Hand zur Falle werden könnte. Aber er wurde zu einer, und von dieser Art gibt es unzählige, weil hier alles angefüllt ist mit Begebenheiten, an denen Sigrid und Arndt beteiligt waren. Überall lauern diese Begebenheiten mir auf und fallen über mich her.
    Doch an diesem Abend gab es zunächst noch etwas anderes zu überstehen. Keine Falle, in die er tappen könnte, sondern eine Prüfung, die er selbst veranlaßt hatte. Er würde sich in Nordenham auf der BREKLUM mit dem Bootsmann Wolbrügge treffen.
    Den Rest des Arbeitstages verbrachte er an seinem Schreibtisch.
Um fünf Uhr verabschiedete er sich von Ludwig Franzen, stieg ins Auto und

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