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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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wiedererstanden sein würde.
    Ernst Pohlmann oder vielmehr Señor Hamilton galt in der Tat als ein Geschenk des Himmels für diesen kargen mexikanischen Hochlandbezirk, denn er gab vielen Menschen Arbeit, zunächst mit der Renovierung der Gebäude, dann aber auch – und das waren dann langfristige Beschäftigungsverhältnisse – durch die Bestellung der Felder, die Viehhaltung und durch die Besetzung der zahlreichen in Haus und Garten anfallenden Posten.
    Eine herausragende Rolle hatte die Köchin Rosario Maldonado inne, die mit ihrem resoluten Wesen über die drei Dienstmädchen, die Wäscherin und die Küchengehilfin herrschte. Die jungen Männer Rodrigo und Lázaro, beide im nahen Huamantla aufgewachsen, besorgten den fast hektargroßen Garten, der viele Monate hindurch künstlich bewässert werden mußte.
    Jórge, ein dreiunddreißigjähriger Mann aus Tzompantepec, der einige Jahre im VOLKSWAGENWerk von Puebla gearbeitet hatte, war der Chauffeur, und da sich sein fachliches Wissen nicht auf Autos beschränkte, oblag ihm auch die Wartung der zahlreichen in den Gebäuden installierten technischen Geräte.
    So hatte die Hacienda, obwohl auf der gleichen geographischen Breite gelegen wie die subtropischen Inseln Jamaika und Haiti oder auch der nördliche Sudan, ein alle Räume versorgendes Heizungssystem bekommen, denn schon bei seinem ersten Aufenthalt in den Ruinen der Madrugada hatte der Deutsche gespürt, daß es in den Höhenlagen seiner zukünftigen Wahlheimat Mexiko unangenehm kalt werden konnte.
    Zu den in Haus und Garten Beschäftigten kamen außerdem, vor allem zur Erntezeit, viele ungelernte Männer und Frauen, so daß Señor Hamilton, den man für einen frühzeitig in den Ruhestand getretenen Großindustriellen aus London hielt, manch einheimischer Familie Brot gab und darüber hinaus an die Municipalidad von Huamantla willkommene Steuern in beträchtlicher Höhe abführte.
    Da er selbst von der Landwirtschaft nichts verstand und sich darüber hinaus in den mexikanischen Gesetzen und Gepflogenheiten nicht genügend auskannte, war der Verwalter Luciano Morro sein wichtigster Mann. Er hatte ihn durch ein überaus großzügiges Gehalt und durch eine hohe Gewinnbeteiligung an sich gekettet. Vor diesem Luciano Morro, einem wahren Energiebündel, hatten die anderen sogar noch mehr Respekt als vor ihrem patrón, denn in ihm, dem Fremden, sahen sie fast so etwas wie ein Wesen von einem anderen Stern und einen Gringo allemal. Das störte ihn nicht. Im Gegenteil, es gefiel ihm. Er hatte ohnehin nicht die Absicht, dem großen landwirtschaftlichen Betrieb je vorzustehen. Er wollte ihn nur besitzen und damit an einem Ort, der fernab aller Erwägungen des deutschen Bundeskriminalamtes liegen mußte, ein luxuriöses Refugium haben.
    Lange hatte er erwogen, einen Teil seiner deutschen Habe – die Möbel, Antiquitäten, Bilder und Bücher aus dem Amrumer Haus – nach Mexiko zu bringen, sich schließlich aber doch zur rigorosen Loslösung von allem alten Besitz entschlossen. Was nützt mir, hatte er sich gesagt, die mühsam erworbene Verfremdung, wenn mich zu guter Letzt eine Degas-Zeichnung oder ein Biedermeierschrank verrät? Und dann war er ganz anders verfahren, hatte Möbel im mexikanischen Kolonialstil anfertigen lassen und bei einer Versteigerung eine siebentausendbändige englischsprachige Bibliothek erworben. Mit einem solchen Interieur fühlte er sich sicherer.
    So war der Mann, der vor fast einem halben Jahr als Ernst Pohlmann Deutschland verlassen hatte, dann als Eberhard Leuffen von Antwerpen über Belfast und Philadelphia nach Veracruz gereist war und schließlich als James Hamilton oder auch Don Jaime im Hochland von Tlaxcala eine neue Existenz gegründet hatte, zu einem mit Grundbesitz und gültigen Papieren ausgestatteten Mexikaner geworden. Für sein zweites Leben stand ihm ein Privatvermögen von zweihundertachtzig Millionen Dollar zur Verfügung. Das war mehr als ausreichend, um in dem von Wirtschaftskrisen und Dauerinflation gebeutelten Land wie ein Feudalherr zu leben, womit er denn auch gleich nach seiner Ankunft begonnen hatte.
    Dabei stammte er aus kleinen Verhältnissen. Als er im Jahre 1956 sechzehnjährig in seiner Heimatstadt Celle eine Lehre als Textilverkäufer antrat, war er, was soziale Gewichtungen anbelangte, ein höchst sensibler und kritischer junger Mann. Dem recht bescheidenen Einstieg ins Berufsleben waren heftige psychische Turbulenzen vorausgegangen. Als Vierzehnjähriger wurde

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