1991 Atlantik Transfer (SM)
Messe zu Abend aßen, und es dauerte nicht lange, bis es für ihn das Schiff aus Bremerhaven war und Sigrid und Arndt und er mit am Tisch saßen. Der Zweite Offizier verschlang Sigrid mit seinen Blicken, Kapitän Baumann erzählte Arndt eine Geschichte von fliegenden Fischen, und Herr Mahrani, der Erste, hatte, weil es Schmorbraten gab, mal wieder ein halbes Hähnchen auf dem Teller.
Und er dachte an die erste Nacht auf See. Ihre Kojen wurden durch einen schweren Vorhang abgetrennt von dem Raum, in dem Arndt schlief. Sie hatten das Fenster geöffnet. Die feuchtwarme Tropenluft strich über ihre nackten Körper, und dann war es ein unvergeßliches Erlebnis, sich auf dem schwankenden Schiff zu lieben.
Der Schwede da draußen spielte weiterhin sein Spiel mit ihm, gaukelte ihm glückliche Bordtage vor, hielt ihn zum Narren.
Erst als die Dunkelheit kam und schließlich nur noch die Lichter zu erkennen waren, wurde es erträglicher.
Plötzlich fiel ihm ein Begriff ein, der während der Besprechung in Bremerhaven mehrfach gefallen war und den er vorher nie gehört hatte: AMVER. Es war, wie er nun wußte, der Name für eine Schiffahrtsleitstelle, die ihren Sitz in New York hatte. Herr Domken, ein Angestellter der Reederei, hatte diese amerikanische Behörde im Zusammenhang mit den Reisedaten der MELLUM erwähnt, und der dann folgenden Erörterung war zu entnehmen gewesen, daß bei AMVER die auf dem Nordatlantik stattfindenden Schiffsbewegungen registriert wurden.
Wieso, ging es ihm jetzt durch den Kopf, ist AMVER hinsichtlich der MELLUM genannt worden, nicht aber in bezug auf das Gespensterschiff, das den Notruf beantwortet hat? Wenn in New York die Daten aller Schiffe, die sich auf dem Nordatlantik bewegen, zusammenlaufen, muß dieses Schiff dort doch auch registriert worden sein! Domken sieht, genau wie damals der Inspektor Breckwoldt, den abgerissenen Funkspruch als Produkt einer übersteigerten Phantasie an, aber AMVER bietet doch die Möglichkeit, das zu überprüfen! Sollte sich dann herausstellen, daß tatsächlich ein bestimmtes Schiff auf einer Route unterwegs war, die es, was nachträgliche Berechnungen ja zutage fördern würden, in jener Nacht an der Unglücksstätte vorbeigeführt hat, dann muß man den Kapitän zur Rechenschaft ziehen!
Er winkte den Kellner heran, zahlte, blieb dann aber noch sitzen, sagte sich: Ich werde bei AMVER nachfragen! Er beschloß es so leichthin, als handelte es sich darum, eine Auskunft beim Hamburger Verkehrsamt einzuholen. Und wie so oft bei seinen Entschlüssen, sollte die Idee möglichst sofort und nicht erst morgen in die Tat umgesetzt werden. Schon nach wenigen Augenblicken kam ihm ein weiterer Einfall. Er wollte sich durchaus nicht um das schwierige Telefonat über eine ihm fremde Materie und in einer fremden Sprache drücken, wollte nur auf jeden Fall ein hieb- und stichfestes Resultat erzielen, und das war eher zu erreichen, wenn nicht er, sondern Wulf Maibohm dieses Gespräch führte, der erstens das Englische wesentlich besser beherrschte als er und zweitens sein Blatt im Hintergrund hatte, das er, ob befugt oder nicht, als gewichtigen Initiator der Recherche anführen konnte.
Er ging in den Schankraum und fragte den Wirt, ob er telefonieren dürfe. Der Kopf des Mannes ruckte kurz in Richtung Kabine.
Er schloß die Tür hinter sich, wählte die Nummer des Freundes, mußte lange warten, und als der sich schließlich gemeldet hatte, sagte er:
»Du, entschuldige bitte die späte Stunde, aber …«
»Ist schon gut. Du weißt doch: jederzeit!«
»Ich brauche deine Hilfe.«
»Na, endlich!«
»Es ist was ganz Konkretes.«
»Um so besser. Schieß los!«
»Kannst du was anfangen mit dem Begriff AMVER?«
»Buchstabier das mal!«
Er tat es.
»Nein, nie gehört. Nur mit pf. Sauerampfer zum Beispiel.«
Jacob Thaden erklärte die Funktion von AMVER und fuhr fort:
»Für mich ist wichtig, daß du jetzt da anrufst und fragst, welche Schiffe in der Nähe der MELLUM waren, als sie unterging.
Zumindest eines muß dagewesen sein, denn es hat ja, wie du weißt, auf den Notruf geantwortet. Ich will herausfinden, welches es war. Paß auf, ich diktier’ dir jetzt Datum, Uhrzeit, Kurs und Position der MELLUM …«, er blätterte in seinem Notizbuch, gab die Informationen durch und fragte dann: »Kannst du, ohne dir Ärger einzuhandeln, dein Blatt vorschieben, damit die drüben ihre Nachforschungen mit der nötigen Gründlichkeit betreiben?«
»Na klar! Als freier Journalist kann ich arbeiten,
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