1991 Atlantik Transfer (SM)
Thaden, was gibt es? Ich ließ Ihnen doch ausrichten: heute abend nicht!«
»Was soll dieses Theater?«
»Welches Theater?«
»Daß dieser Mann da wie ein Aufpasser vor meiner Tür steht und mir auf Schritt und Tritt nachläuft.«
»Ich hatte … aber setzen Sie sich erst mal!« Thaden nahm vor dem Schreibtisch Platz, und Nielson begann noch einmal: »Ich hatte zwei Möglichkeiten: entweder Sie ins Kabelgatt zu sperren oder Sie bewachen zu lassen. Mit dem Arrest hätte ich möglicherweise meine Kompetenzen überschritten und mir eine Klage eingehandelt. Also tat ich das, was ich durfte, denn meine Leute und mein Schiff vor dem Ausspionieren bewahren, das darf ich. Wir sind im Augenblick ohne Zeugen, und darum sag’ ich Ihnen mal ganz offen, was ich von Ihnen halte: Sie sind ein mieser Zeitgenosse!«
»Ach was! Und Sie? Was sind Sie?«
»Sicher auch nicht gerade ein Ausbund an Tugend, aber das geht Sie nichts an. Was Sie dagegen an Bord meines Schiffes tun, geht mich sehr wohl etwas an.«
»So? Und was tue ich?«
Nielson griff hinter sich in ein Regal, zog aus den dort liegenden Papieren eine Ausgabe der Zeitschrift KOMET hervor und schob sie über den Schreibtisch. Thaden sah unter dem blonden, barbusigen Covergirl einen in rote Balken eingefaßten Hinweis: »SOS UND KEINE HILFE – DER RÄTSELHAFTE UNTERGANG DER MELLUM, Seite 103«.
»Ein knackiges Geschöpf«, sagte er.
»Tun Sie nicht so, als ob es darum ginge!«
»Und worum geht es?«
»Herr Thaden, ich fand den Boulevard-Journalismus schon immer zum Kotzen. Er schlägt Kapital aus dem Privatleben von Menschen und kümmert sich einen Dreck um die Folgen. Die Hauptsache ist, daß der Rubel rollt.«
»Ich hab’ keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen.«
»Okay, kürzen wir das Verfahren ab!« Nielson zog die Zeitschrift zu sich heran und schlug die Seite 103 auf. »Hier! Der Bericht über den Untergang der MELLUM! Der Verfasser ist nicht genannt. Ich hab’ die Story übrigens in New Orleans gelesen, im Untersuchungsgefängnis. Wir saßen da wegen des Verdachts auf Drogen-Schmuggel. Unser Anwalt brachte uns einen Stoß Zeitschriften, und weil er wußte, daß ich Deutscher bin, hatte er auch dieses Machwerk dabei. Und nun hören Sie mal schön zu, wie es weitergeht! Als wir rauskamen – es hatte sich erwiesen, daß wir, bis auf zwei Männer aus der Maschine, sauber waren –, hab’ ich die Redaktion des Blattes angerufen, hab’ gesagt, ich wüßte etwas und brauchte den Namen des Reporters, der die Serie schreibt. Ohne zu zögern, hat die Sekretärin mir gesagt, das sei ein Hamburger Journalist namens Wulf Maibohm, ein freier Mitarbeiter. Ich bedankte mich und legte auf. Und nun, Mister Thaden, müssen Sie nur zwei und zwei zusammenzählen, um zu begreifen, weshalb Piet Snock vor Ihrer Tür steht und Ihnen, wenn Sie die Kabine verlassen, auf den Fersen ist.«
Thaden war wie vor den Kopf gestoßen. Also nicht die Schnüffelei im Kartenhaus und nicht die vielen Fragen an Ellerup! Beides hätte er vielleicht noch zurechtrücken, nämlich als normale Neugier hinstellen können. Er hatte ganz einfach einen fatalen Fehler gemacht, und der war nicht mehr zu korrigieren.
»Nicht wahr? Hat es da oben in Ihrem Gehirnkasten jetzt geschnackelt? Wenn mir der Name Wulf Maibohm schon mal als der eines dieser elenden Schreiberlinge im Gedächtnis sitzt und dann ein Passagier, übrigens der erste seit Jahren auf meinem Schiff, diesem Wulf Maibohm ein Telegramm schickt, dann kann der Passagier mir hundertmal erzählen, daß ihm drei Stewards im Nacken ein Greuel sind und er durchorganisierte Bordnächte verabscheut! Er gehört zu dem Schreiberpack oder ist scharf auf die Belohnung.«
»Eins zu null für Sie«, sagte Thaden, »aber jetzt kommt der Konter! Warum regen Sie sich über diesen Bericht derartig auf, daß Sie von New Orleans aus die Redaktion anrufen und sich den Namen des Verfassers geben lassen? Warum reagieren Sie auf mein Telegramm in der Weise, daß Sie mir einen Wächter vor die Tür stellen? Da gibt es nur eine Antwort: Die CAPRICHO ist das Schiff, nach dem wir suchen! Ich wäre schon noch an Sie herangetreten mit Fragen, die Sie in die Zwickmühle gebracht hätten, aber nun ist die Sache mit dem Telegramm dazwischengekommen. Wieso übrigens erst heute? Ich hab’ es doch bereits vor zwei Tagen aufgegeben.«
»Bei Ellerup brauchte es ’ne Weile, bis der Groschen fiel. Na, und dann hat er mich informiert.«
»Okay, Sie wissen jetzt, weshalb ich hier bin, und so
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