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1991 Atlantik Transfer (SM)

1991 Atlantik Transfer (SM)

Titel: 1991 Atlantik Transfer (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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beiseite, konnte sich nicht konzentrieren.
Warum so plötzlich, so kurz vorher die Verweigerung? War der Mann vielleicht doch krank? Waren die Sorgen, von denen der Steward gesprochen hatte, nicht behoben? Waren sie am Ende drückender geworden? Oder, dachte Thaden, bestimmen auf einem Schiff, das den Namen CAPRICHO trägt, die Launen derer, die es fahren, den Gang der Dinge? Aber, so überlegte er weiter, der rasche Wechsel zwischen Lust und Unlust, wenn er denn wirklich der Grund sein sollte, muß ja nicht zugleich die Höflichkeit über Bord gehen lassen! Und einen anderen Abend hat er auch nicht vorgeschlagen! Vielleicht sollte ich mich gar nicht auf diesen Mann festlegen; vielleicht tut’s der Erste Offizier genauso. Oder Jesko. Oder ich rede ein zweites Mal mit Ellerup, aber nicht über Was wäre, wenn?, sondern über Was war?. Nämlich damals, in jener Nacht, als er vor seinen Geräten saß und wußte, daß ganz in seiner Nähe Menschen um ihr Leben bangten!
Er stand auf. Die drei Reisetage hatten das Schiff ein beträchtliches Stück nach Süden versetzt, und es war schon die warme Golfbrise, die durchs Bullauge hereinstrich. Den ganzen Tag über war er in Shorts herumgelaufen; nun trug er einen Jogging-Anzug, hatte sich, nachdem Nielsons Absage erfolgt war, wieder leger angezogen. Er verspürte Lust, noch einen Teil des lauen Abends an Deck zu verbringen. So verließ er seine Kabine.
Kaum war er auf den Gang hinausgetreten, da stutzte er. Einen Meter von ihm entfernt stand, gegen die Wand gelehnt und offenbar mit nichts anderem als dem Dastehen beschäftigt, Piet Snock, der vierschrötige holländische Matrose, von dem Nielson ihm gesagt hatte, er sei der Mann fürs Grobe und bei Landgängen eine begehrte Begleitung. In einigen Häfen könne es passieren, daß ein plötzlicher Überfall aus dem Hinterhalt erfolge, vor allem, wenn die Männer einzeln oder zu zweit unterwegs seien, aber mit Snock an der Seite fühle sich jeder sicher. Einmal, so hatte Nielson mit unverkennbarem Stolz gesagt, habe der Dampfhammer aus Terneuzen in weniger als einer Minute vier finstere Gestalten zermalmt.
Und nun stand dieser Mann vor seiner Kabine, stand da wie ein Posten! Thaden drückte sich an ihm vorbei, sagte »Guten Abend!«, doch Snock erwiderte den Gruß nicht. Statt dessen folgte er Thaden durch den Gang, dann die Treppe hinunter zum Officer’s Deck und weiter zum Bootsdeck. Jetzt wollte Thaden es genau wissen. Er trat nicht hinaus ins Freie, sondern machte vor der Tür kehrt, drückte sich ein zweites Mal an dem massigen Mann vorbei und ging wieder nach oben. Prompt polterte auch Snock die Stufen hinauf. Thaden hielt mitten auf der Treppe inne, sah sich um, sagte aber nichts, setzte seinen Weg fort, erreichte die Kabinentür. Als er sie geöffnet hatte, drehte er sich erneut um. Und was tat Snock? Er lehnte schon wieder an der Wand, und diesmal grinste er Thaden an.
»Warum stehen Sie hier?« Thaden hatte deutsch gesprochen, denn er wußte, daß Snock die Sprache beherrschte.
»Ich passe auf.«
»Worauf?«
»Auf Sie.«
»Warum?«
»Order vom Captain .«
Thaden schwieg, sah noch zwei, drei Sekunden in das grinsende Gesicht des Matrosen und ging dann in die Kabine, schottete sogar hinter sich ab. Eine Weile stand er ratlos da. War er in der Funkstation oder auch schon im Kartenhaus zu leichtsinnig gewesen? Aber, verdammt noch mal, beides, das Interesse für die Funkerei und das Studium von Seekarten, gehörte doch zum normalen Passagierverhalten! Schließlich fragte er sich, ob er womöglich in Gefahr sei. Wer weiß, dachte er, was alles diese Männer auf dem Kerbholz haben und wozu sie fähig sind, wenn es darum geht, ihre Vergangenheit zu vertuschen! Er setzte sich auf die Koje. Vielleicht war das, was die Männer der CAPRICHO zu verbergen hatten, so ungeheuerlich, daß es ihnen nun auch nichts mehr ausmachte, einen Kundschafter zu beseitigen. Auf See war das ein leichtes. Hoppla, und man ging außenbords. Nur, Nielson sah nicht aus wie ein Mörder! Aber, dachte er dann, weiß ich überhaupt, wie Mörder aussehen? Manch einer kommt ja nur deshalb zu einem Mord, weil er Aufdeckung befürchtet, und das, was diese Reise bringen soll, ist nichts anderes als Aufdeckung! Hat Nielson mich durchschaut?
Wieder wollte er es genau wissen. Er verließ die Kabine, stürmte, an Snock vorbei, durch den Gang, klopfte bei Nielson an.
»Yes!« ertönte es von drinnen.
Er öffnete, trat ein, machte die Tür hinter sich zu.
»Ah, Herr

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