1992 - Aufmarsch über Thorrim
was hätte er ihnen als Erklärung sagen sollen? Plötzlich hatte er Gia de Moleon in der Verbindung. Die ehemalige TLD-Chefin sagte ohne nennenswerte Emotionen: „Mit den technischen Mitteln der Stadt sind keinerlei konkrete Aussagen über diese kugelförmige Zone grellen Lichtes zu treffen. Die Wissenschaftler können lediglich vermuten, dass es sich um eine Art Tor zum Hyperraum handelt."
„Fein, Gia", sagte Navajo ebenso kühl. „War das alles?". „Fürs erste, ja. Ich sah es nur als meine Pflicht an, dich zu informieren."
„Das hast du getan", sagte der Bürgermeister und unterbrach die Verbindung. Er nahm noch einige Telekomanrufe aus der Stadt entgegen und auch aus Zortengaam, der Stadt der Thorrimer. Er erfuhr dabei, dass der mentale Druck nicht nur von den Alashanern empfunden wurde, sondern auch von deren eingeborenen Nachbarn. Dieser Druck, so gewann er den Eindruck, blieb unterhalb der Schmerzschwelle. Er erwies sich jedoch als allgegenwärtig und wurde von zahlreichen Personen als positiv gefärbt wahrgenommen.
Der Bürgermeister nahm kein Gespräch mehr an, sondern ging wieder hinaus auf den Balkon. Er sah die leuchtende Sphäre über sich, die sich seiner Schätzung nach mittlerweile in eine Kugel von sieben Kilometern Durchmesser verwandelt hatte. Und plötzlich begann es aus heiterem Himmel zu regnen. Ein feiner Nieselregen aus Milliarden hauchfeiner Tropfen fegte sich über Alashan und Zortengaam. Navajo wurde von einigen getroffen und zuckte zurück. Jede Berührung mit einem Tropfen war wie ein sachter elektrischer Stromschlag. Schnell zog sich der Bürgermeister zurück. Dabei sah er noch, wie die Tropfen, die auf seinem Balkon heruntergekommen waren, sich kurz danach in nichts auflösten. Es war etwas anderes als ein allmähliches Verdunsten. Die Tropfen verschwanden einfach.
Stendal Navajo rief seinem Syntron die Namen von Tess Qumisha und Benjameen von Jacinta zu. Alles andere erledigte die Apparatur. „Bitte kommt zu mir", sagte Navajo. „Ich habe einen neuen Auftrag - oder einen alten, ganz wie ihr wollt. Ihr müsst zu Nisaaru und herausfinden, was es mit dieser angekommenen Kugelsphäre zu tun hat. Ob sie die vierte Superintelligenz ist oder nicht."
„Wir sind schon unterwegs", antwortete Benjameen.
Stendal Navajo nickte und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Insgeheim hatte er schon Tage darauf gewartet, dass sich eine vierte Superintelligenz im Thorrtimer-System einfand.
Bevor die beiden Mutanten eintrafen, führte Stendal Navajo Gespräche mit Wissenschaftlern. Dabei stellte sich heraus, dass die Tropfen mit keinem bekannten Messgerät chemisch nachgewiesen werden konnten. Außerdem durchdrangen sie Schutzschirme energetischer Natur, ja selbst Prallschirme. Tess Qumisha und Benjameen von Jacinta betraten das Arbeitszimmer des Bürgermeisters nach vorheriger Anmeldung. Beide kratzten sich im Gesicht und an den Händen, aber ihre Kleidung war vollkommen trocken, obwohl sie auf dem Weg von Benjameens Wohnung bis zum vor dem Haus geparkten Gleiter zwei Dutzend Schritte hatten laufen müssen. „Die Tropfen sind nicht nass im herkömmlichen Sinn", sagte Tess. „Oder so ausgedrückt: Sie verschwinden, bevor sie in die Kleidung eindringen oder die Haut benetzen können."
„Es gibt nur diesen kleinen .elektrischen Schlag", fügte Benjameen hinzu. „Und es bleibt ein leichtes Jucken auf der Haut. Aber das ist alles."
„Kommen die Tropfen aus der strahlenden Kugel?" wollte Tess wissen. Sie gab sich selbst die Antwort: „Natürlich. Es ist keine Wolke am Himmel, und aus keiner Wolke regnet es so ..." Stendal Navajo blickte sie spöttisch an. „Für die Leute, die jetzt zu Fuß unterwegs sind, wird der Spaziergang zu einer ziemlich prickelnden Angelegenheit", sagte er. „Ich hoffe nur, dass der Regen ungefährlich für uns ist, je nachdem, wieviel wir davon abbekommen."
Dann beugte er sich vor und legte die Hände flach auf die Arbeitsplatte seines Schreibtischs. „Tess und Benjameen, ich bitte euch, wie gesagt, wieder zu Nisaaru zu fliegen und sie nach dem Ankömmling und dem Regen zu fragen."
„Das entwickelt sich langsam zum reinsten Pendelverkehr", meinte Benjameen. „Aber gut, wir sind schon unterwegs. - Gibt es eigentlich schon Reaktionen auf unsere neue Hyperbotschaft?"
„Reaktionen?" fragte Navajo. „Ich meine, gibt es Ortungen von Raumschiffen oder Flotten, die neu im Thorrtimer-Sektor aufgetaucht sind oder vielleicht sogar Kurs auf Thorrim nehmen?" Der
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