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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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denn ab?«
»Ich will mich mal umhören, wie’s auf dem Kupfermarkt aussieht, und wahrscheinlich flieg’ ich sogar für ein paar Tage nach Chile.«
»Das ist ein Wort!« sagte Krogmann. »Ich bin sowieso der Meinung, einer von Ihnen hätte drüben längst mal nach dem Rechten sehen müssen.«
»Ja«, antwortete Olaf, »aber seit einem Jahr ticken bei uns die Uhren anders. Der Tag hat viel zuwenig Stunden.« Er wandte sich an John: »Bist du damit einverstanden, daß wir das Kupfergeschäft nach meiner Rückkehr erledigen?«
»Natürlich«, sagte John und schenkte noch einmal ein. Sie tranken, und dann wurde Frau Asmussen hereingerufen und beauftragt, von dem Brief aus Chile Fotokopien anzufertigen.
Nach wenigen Minuten kam sie zurück, legte die Papiere auf den Tisch. Als sie wieder draußen war, sagte John: »Eigenartig, daß diese Frau Muñoz so viel Kupfer auf Lager hatte. Sie muß es ja regelrecht gehortet haben.«
»Vielleicht gab es Schwankungen an der Börse, und die hat sie abwarten wollen«, antwortete Olaf.
»Mag sein. Ich bin gespannt, Näheres über ihre Familie zu erfahren. Für die sind wir mit Sicherheit die bösen Deutschen, die den schönen Kuchen verkleinern, nur weil die Mutter oder Tante oder Oma mit einem von ihnen mal was hatte.«
»Das soll nicht Ihre Sorge sein«, befand Krogmann. »Außerdem ist, wie Merino am Telefon sagte, der Muñoz- oder Wilkinson-Kuchen so riesig, daß auch nach Wegfall des Kupfervorrats noch ein schönes Stück für jeden übrigbleibt.«
»Man redet«, meinte Olaf, »immer von den armen Ländern in Südamerika, und nun kommt von da schon zum zweiten Mal ein warmer Regen auf uns, die wir im reichen Deutschland leben.«
»Wobei aber zu bedenken ist«, sagte Krogmann, »daß der Goldregen, der sich über Sie ergießt, von einem Deutschen und von einem Engländer stammt.«
»Da haben Sie allerdings recht«, Olaf nahm die vor ihm liegenden Fotokopien auf, faltete sie und steckte sie ein, »zu Wohlstand gelangt sind dort unten, außer den Amis, in erster Linie Europäer wie Claas Theunissen und dieser Mister Wilkinson, die vor Jahrzehnten nach drüben gegangen sind und schnell begriffen haben, wie aus den vorgefundenen Verhältnissen am ehesten Kapital zu schlagen ist. Das läuft nun schon fast fünfhundert Jahre so, seit der Conquista. Ich werde nie die wohl aufregendste Schullektüre vergessen, die mir im Deutschunterricht untergekommen ist. In der Novelle wird erzählt, wie Pizarro den Inka-Häuptling Atahualpa linkt, indem er Frieden und Freiheit und Freundschaft verspricht, wenn die Inkas ihm einen ganzen Saal mit Gold füllen. Atahualpa geht auf diesen Vorschlag ein, und als der Schatz beieinander ist, läßt Pizarro den Häuptling unter fadenscheiniger Begründung umbringen. An der Stelle hab’ ich vor Wut geheult.«
»Was Sie nun aber nicht veranlassen soll«, sagte Krogmann mit dem ihm eigenen trockenen Humor, »Wiedergutmachung zu leisten, indem Sie auf Ihr Kupfer verzichten.«
»Das hab’ ich auch nicht vor. Erstens käme es ja doch nur in die falschen Hände, und zweitens bin ich nicht mehr der Dreizehnjährige mit seinen sauberen und gerechten Empfindungen. Das Leben verdirbt den Charakter.«
Krogmann erhob sich. »Ein nicht gerade erbauliches, aber wohl leider ein wahres Schlußwort.« Auch die Vettern standen auf.
»Sobald Sie sich einig geworden sind«, sagte Krogmann, »geben Sie mir bitte Bescheid.«
Er und Olaf machten sich auf den Weg. Im Vorraum, der zu den Paternostern führte, standen, auf eichenen Sockeln befestigt, die Modelle der Theunissen-Schiffe. Zwölf waren es hier, die anderen zwölf befanden sich in Olafs Reederei, die nur zehn Minuten entfernt in den drei oberen Etagen eines großen Büro-Gebäudes untergebracht war. Das dreizehnte Modell hatte er gleich nach dem Ankauf des neuen Schiffes in Auftrag gegeben, aber es war noch nicht fertig.
Olaf blieb stehen, zeigte auf die Exponate und sagte: »Immer, wenn ich diese Schiffe sehe, ob nun bei mir oder hier, beschleicht mich Wehmut.«
Auch Krogmann war stehengeblieben. Er schob sein Gesicht ganz nah an den ersten der Glaskästen, besah sich die mit großer Sorgfalt nachgebildete MARGARETA THEUNISSEN und sagte: »Auf diesem Schiff hab’ ich mal zusammen mit Ihrem Onkel eine Reise nach Afrika gemacht. Schön war das. Ja, ich verstehe, daß Sie beim Anblick dieser Modelle zu solchen Gefühlen kommen.«
»Ist unvermeidlich, denn das Ganze ist ein einziges Trauerspiel. Nicht nur John und ich sind
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