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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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also, wenn auch mit Schräglage, aufgerichtet geblieben. Die Taucher kamen erst mal wieder nach oben und meldeten die Entdeckung des Schrotts, und deshalb war auch gestern die Presse schon da, die ja bekanntlich das Gras wachsen hört. Die Taucher haben dann den Auftrag gekriegt, die noch intakten Lukenabdekkungen zu sprengen. Danach ist das Holz per Auftrieb nach oben gekommen und hat die Container freigelegt, die dann geöffnet wurden, vermutlich erst mal nur die oberen, aber später hat man auch weiter unten an mehreren Stellen gesprengt, von außen, und zahlreiche Proben durchgeführt. Alles Schrott.« Olaf hielt inne und rieb sich die Schläfen. »Das ist die Lage«, fuhr er dann fort, »und ich schlage vor, wir machen für heute Schluß, und Sie gehen nach Haus, du auch, Jacob. Ich bleibe hier für den Fall, daß weitere Nachrichten eintreffen.«
Es wurde ein bedrückter Aufbruch. Die Männer standen schon in der geöffneten Tür, da läutete abermals das Telefon. Olaf meldete sich, lauschte, sagte dann: »Ja, ist in Ordnung.« Er legte den Hörer auf, sah erst seinen Sohn und dann Hollmann und Wessel an. »Das war der Pförtner. Zwei Beamte von der Kripo haben soeben den Paternoster bestiegen. Sie werden jeden Moment hier auftauchen. Jacob, vielleicht läßt du den Proviant nun doch hier, denn wer weiß, wann ich wieder was zu essen kriege.«

12
    Jäh war Olaf Theunissen aus der vielversprechenden Wettkampfposition abgestürzt, und seine Ziele hatten sich drastisch verändert. Es ging nicht mehr darum, bei der Jagd auf Tonnage weitere Vorteile zu erringen, ging nicht mehr um das Aushandeln profitabler Frachtverträge, sondern Fragen ganz anderer Art bestimmten sein Denken, vor allem diese. Wie gelingt es mir, die ungeheuerlichen gegen mich erhobenen Vorwürfe aus der Welt zu schaffen?
    Der Untergang der OLGA THEUNISSEN und die Maßnahme der Versicherung, ihre Zahlungen sofort zu stoppen, ja, selbst die Möglichkeit, wegen der Ehrenklausel das mörderische Rennen zu verlieren, das alles war geringfügig gegenüber dem Verdacht, er habe zwei Menschenleben auf dem Gewissen. Der wog am schwersten.
    Die sensationelle Entdeckung, daß die OLGA statt des Kupfers Schrott an Bord gehabt hatte, lieferte dem Staatsanwalt und dem Haftrichter zwar ein Motiv und stützte damit den Tatverdacht, hätte jedoch für die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nicht genügt. Aber man hatte dann mit einem zusätzlichen Argument aufgewartet, das sich erschwerend auf seine Lage auswirkte. Sein Aufenthalt in Chile wurde ihm zum Verhängnis. Der Zeitpunkt der Reise, so hieß es, lege die Vermutung nahe, er habe den Versicherungsbetrug vor Ort eingefädelt.
    Er hatte es bedauert, daß Krogmann ihn nicht vertreten konnte, weil die Arbeit eines Notars und die eines Rechtsanwaltes in Hamburg getrennte Bereiche darstellten. Der eine durfte zum Beispiel keine Verteidigung und der andere keine Beurkundung von Kaufverträgen übernehmen. Aber auch wenn es diese Regelung nicht gegeben hätte, wäre Krogmann als für beide Reedereien zuständiger Testamentsvollstrecker vielleicht gar nicht befugt gewesen, ihn in diesem Fall zu verteidigen. So hatte er das Mandat Dr. Vosswinkel erteilt, einem zwar noch jungen, aber sehr befähigten Anwalt, der ihn schon mehrere Male in juristischen Fragen des Holzhandels beraten hatte. An diesem Morgen, einem grauen Novembertag, wollte Vosswinkel ihn besuchen. Es würde dabei um angeblich vorhandene Schuldbeweise und um einen neuen Termin beim Haftrichter gehen.
    Um zehn Uhr trafen sie sich im Besucherraum. Vosswinkel war klein von Wuchs, aber forsch im Auftreten. Er hatte leicht gekräuseltes dunkles Haar, eine gesunde Gesichtsfarbe, braune Augen. Kinnlinie und Mund verrieten Energie. Er war salopp, aber teuer angezogen, trug eine dunkelgraue Flanellhose und einen schwarzen Rollkragenpullover aus Kaschmir. Sie saßen sich an dem kleinen Tisch gegenüber. Olaf rauchte. Wie immer, wenn er angespannt war, brauchte er unbedingt die Zigarette. »Herr Theunissen«, begann Vosswinkel, »sagen Sie mir, bevor ich das verfluchte Zeug aus der Aktentasche hole, noch einmal. Waren Sie es? Oder waren Sie es nicht?«
    Etwas beklommen starrte Olaf zuerst auf die Tasche und dann auf den Anwalt. »Ich hab’ Ihnen doch schon erklärt«, antwortete er schließlich, »daß es absurd ist, mir eine solche Tat zu unterstellen.«
    »Dann sollten wir jetzt aktiv werden und versuchen, Ihre Unschuld zu beweisen, denn in Ihrer Situation

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