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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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ist ein solcher Angriff immer noch die beste Verteidigung. Wir brauchen also Fakten!«
    »Haben wir ja auch! Es ist zum Beispiel ein Faktum, daß ich es war, der auf den Einsatz von Tauchern drängte. Zählt das denn überhaupt nicht?«
    »So ein Vorschlag ist schnell gemacht, wenn man nicht damit rechnen muß, daß er in die Tat umgesetzt wird.« Olaf schüttelte den Kopf. »Glauben Sie mir«, sagte er, »ich hab’ mit der Sache nicht das geringste zu tun.«
    »Und was, wenn ich jetzt die Gegenbeweise aus meiner Tasche ziehe?«
    »Dann handelt es sich um Fälschungen.«
    Mit Daumendruck öffnete Vosswinkel das Schloß, griff ins Leder, fischte einen DIN-A6-Umschlag heraus und entnahm ihm ein paar Fotos. Es waren vier Aufnahmen in Postkartengröße. Er breitete sie vor Olaf aus. Der schickte einen verstörten Blick über die kleine Serie, nahm dann eins der Fotos in die Hand, besah es sich genauer. Es zeigte das Gelände einer Schrottfirma. Im Vordergrund war ein etwa drei Meter hoher Maschendrahtzaun gezogen, durch dessen Geflecht man ganze Halden von Autowracks und zwei große Kräne erkennen konnte. Der Zaun war unterbrochen von einem ebenfalls aus Maschendraht hergestellten zweiflügeligen Tor, das geöffnet war. Rechts davon befand sich ein Wärterhäuschen, vor dem zwei Personen standen. Olaf brauchte keine Lupe, um zu erkennen, daß die Brisanz des Fotos in dem einen der beiden Männer lag, denn der hatte seine Statur, und er trug seine Kleidung. Dennoch mußte er lachen. Ausgerechnet das Gesicht des Mannes war nicht genau auszumachen. Es war halb abgewandt, und die sichtbare Hälfte lag auch noch im Schatten einer Palme, die – innerhalb einer Reihe von sechs weiteren Exemplaren dieses tropischen Gewächses – vor dem Zaun stand. Im großen und ganzen, das gestand er sich ein, gab das Bild einen Menschen wieder, der er durchaus hätte sein können, doch gerade die Physiognomie, die für eine eindeutige Identifikation erforderlich gewesen wäre, bot eine nur vage Übereinstimmung.
    »Ja«, sagte er, »es ist eine Jacke wie meine helle rohseidene, die zu Haus hängt, und es ist eine Allerweltshose, wie ich bestimmt auch eine in meinem Kleiderschrank hab’. Es ist ein Strohhut, wie ich tatsächlich einen besitze, und zwar von meinem letzten Teneriffa-Urlaub her. Es sind meine Körpermaße, ist sogar meine Körperhaltung, zum Beispiel der leicht nach rechts geneigte Kopf. Das mach’ ich, wenn ich nachdenken muß. Aber ich schwöre Ihnen, ich bin nicht dieser Mann! Ich habe außer bei unserem Norderstedter Autoverwerter noch nie auf oder an einem solchen Gelände gestanden, und daß es die hiesige Firma nicht ist, dürfte bewiesen sein durch die Palmen. Die wachsen nicht in Norderstedt. Weiß man, wer der zweite Mann ist?«
    Ein Chilene namens Carlos Gutiérrez, der Pächter des Schrottlagers.«
    »Ach du lieber Himmel!«
    »Ja. Eigentlich ist er der letzte, in dessen Gesellschaft Sie zu sehen sein sollten.«
    »Bin ich ja auch nicht.«
    Vosswinkel tippte mit dem Zeigefinger auf das nächste Foto. Olaf nahm es auf, sah es sich an. Es war in Valparaiso aufgenommen worden, daran bestand kein Zweifel, denn er erkannte die Fassade des Hotels PRAT, in dem er gewohnt hatte, entdeckte auch ein paar Schilder, die aus der Fluchtlinie der Häuserreihen herausragten und deren Aufschriften, zum Beispiel LOTERÍA NACIONAL und LIBRERÍA, er in Erinnerung hatte. Vor dem Hotel spielte sich eine alltägliche Szene mit Autos, Bussen, Radfahrern und Fußgängern ab. Und wieder, insgesamt mochten etwa zwei Dutzend Personen zu sehen sein, war da ein Mann, der er hätte sein können. Es war offenbar derjenige, der auch seine Anwesenheit auf dem Schrottplatz dokumentieren sollte, denn er trug dieselbe Kleidung. Doch wiederum war das Gesicht nicht en face, sondern im Profil aufgenommen worden, nämlich beim Überwechseln des Mannes vom Bürgersteig in den Hoteleingang. Der Fotograf mußte in einigen Metern Entfernung ebenfalls auf dem Bürgersteig gestanden haben. »Der gleiche plumpe Trick!« sagte Olaf. »Ich könnte es sein, aber einen Beweis dafür, daß ich’s bin, gibt auch dieses Foto nicht her. Okay, ich hab’ im PRAT gewohnt, aber so idiotisch kann selbst der dümmste Indizienbeschaffer nicht sein, daß er den Kerl, der mich verkörpern soll, ins HILTON marschieren läßt oder ins SHERATON. Natürlich haben die recherchiert, wo ich abgestiegen bin.«
    »Die?« 
    »Ja, die. So ein Riesending kann keiner allein

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