1992 Das Theunissen-Testament (SM)
durchziehen.« Olaf legte das Foto auf den Tisch, nahm das nächste zur Hand. Wieder Valparaiso, diesmal der Hafen. Am Kai zwei Männer, und es war schnell auszumachen, daß es die vom Schrottplatz waren, nur daß sein Double jetzt anders angezogen war. »Die scheinen meinen Kleiderbestand inspiziert zu haben«, sagte er.
»Einen solchen olivfarbenen Anzug habe ich. Und der Mann guckt sogar in die Linse, hat sich aber ’ne riesige Sonnenbrille aufgesetzt. Wird das nicht allmählich lächerlich?«
»Haben Sie eine solche Sonnenbrille, eine mit extrem breiten Bügeln?«
»Ja.«
Olaf sah sich die vierte Aufnahme an. Wieder ein Hafenausschnitt.
»Noch einmal Valparaiso«, sagte Vosswinkel, »steht jedenfalls hinten drauf.«
Olaf drehte das Foto herum, las den in Druckbuchstaben geschriebenen Ortsnamen, betrachtete dann erneut das Bild. Eine maritime Szene. Die OLGA THEUNISSEN wurde beladen. Der Gantry-Kran hievte gerade einen Container an Bord. Am Rand der geöffneten Ladeluke stand Hans Wiegand, der Erste Offizier.
»Und? Was soll das?« fragte er.
»Man könnte meinen«, antwortete der Anwalt, »da würde Ihre OLGA mit Kupfer vollgepackt. Aber es sind nur zusammengepreßte Autos.«
»Und woran erkennen Sie das?«
»An gar nichts. Aber die BRISTOL INSURANCE hat’s rausgekriegt, oder vielmehr das von ihr beauftragte Taucher-Team.«
»Mir scheint, die hat noch ein paar Leute mehr mit Aufträgen bedacht.«
»Vorsicht! Wenn Sie die BRISTOL INSURANCE beschuldigen und ihr ein abgekartetes Spiel unterstellen, kommen Sie in Teufels Küche.«
»Ach, und mich darf man ohne weiteres beschuldigen?«
»Nicht ohne weiteres.« Vosswinkel zeigte auf die Fotos, und dann ergänzte er: »Gestern abend hat die Kripo übrigens Ihre Kleiderschränke durchforstet.«
»Wenn schon! Die Aufnahmen zählen nicht, und was das Motiv betrifft, sieht das der Versicherung nicht anders aus als meins. Sechsunddreißig Millionen Mark. Aber zurück zu diesem Hafenbild. Hier ist nicht erkennbar, wann es gemacht worden ist. Das kann schon vor Jahren geschehen sein, denn die OLGA war viele Male in Valparaiso, und Wiegand fährt seit langem auf dem Schiff, anfangs als Zweiter, dann als Erster Offizier. Die Macher haben vergessen, ihm eine aktuelle Zeitung in die Hand zu drücken.«
»Mit Ironie kommen wir nicht weiter.«
»Und wie, bitteschön, kommen wir weiter? Das Foto gibt doch überhaupt nichts her.«
»Sie müssen etwas genauer hinsehen. Hinter den Schauerleuten stehen zwei Männer, und obwohl sie wegen der Entfernung nur unscharfe Konturen haben, kann man erkennen, daß es die vom Schrottplatz und von Valparaiso sind.« Olaf beugte sich über das Bild. »Verdammt, ja! Wieder mein Anzug und mein Hut. Und diesmal sogar von vorn und ohne Sonnenbrille. Aber eben unscharf. Vosswinkel, kommen Ihnen wirklich keine Bedenken bei einem solchen Beweismaterial? Jedesmal ist ausgerechnet das Gesicht durch irgendwas beeinträchtigt. Das stinkt doch zum Himmel, und wenn Sie’s nicht riechen, müssen Sie mal zum Otorinolaringólogo gehen. Das heißt auf deutsch Hals-, Nasen-, Ohrenarzt. Ich hab’ mir das Wort gemerkt, als ich drüben war, weil es so exotisch klingt.«
»Ich sag’s noch mal. Ironie ist in dieser Situation fehl am Platze.«
»Hab’ leider nichts anderes zur Verfügung, um mich bei Laune zu halten, allenfalls könnte ich noch kotzen. Bitte, äußern Sie sich doch auch mal zu dem Kuriosum, daß jedesmal ausgerechnet mein Gesicht oder vielmehr das Gesicht, das meins sein soll, nicht eindeutig identifizierbar ist!«
»Zugegeben, dieses Manko ist da, aber die Strafverfolger sehen die Aufnahmen im Zusammenhang mit Ihrem Motiv und Ihrer letzten Chile-Reise und gehen davon aus, daß man es nicht riskieren konnte, Sie aus kurzer Distanz en face abzulichten.«
»Und damit wären wir«, antwortete Olaf, »beim springenden Punkt, über den Sie sich wohl auch schon Gedanken gemacht haben. An Hand der Reise-Unterlagen ist nachzuweisen, wann ich in Chile war, nämlich vor der Katastrophe. Wie kommt es, daß jemand diese Aufnahmen, die mich belasten sollen, gemacht hat, als kein Mensch wissen konnte, daß mein Schiff untergehen würde? Das ist doch ein einziger Widerspruch!«
Vosswinkel antwortete nicht gleich, wiegte nur den Kopf. Endlich, Olaf wurde schon ungeduldig, sagte er: »Sie haben recht, sofern Sie unschuldig sind. Sind Sie es nicht, stellen die Fotos ein Belastungsmaterial erster Güte dar.«
»Dann ist die entscheidende Frage. Wer hat sie
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