Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
Vom Netzwerk:
»außer einigen Wechseln, wie sie immer erfolgen.«
    »Zum Beispiel?« fragte er nach. »Moment, ich hol’ die Unterlagen.« Nach einer Weile hörte er dann:
    »Ja, da war ein Krankheitsfall auf der CLARA THEUNISSEN, der Zweite Offizier, der aber schon ersetzt worden ist. Und gestern eine Abmusterung von der HANNA. Der Bootsmann Mendoza. Die Mitteilung kam heute morgen von der Heuerstelle Alicante.«
    »Danke, das genügt mir.«

15
    Einmal in seinem Leben, das war vor vier Jahren gewesen, hatte Olaf mit der Unterwelt zu tun gehabt, zwar nicht schuldhaft gegenüber seinem Gewissen, aber doch so, daß es ihn, wenn es publik geworden wäre, vor den Kadi gebracht hätte.
    Die Angehörigen von Stanislaw Wazyk, der einer seiner tüchtigsten Arbeiter war, sollten damals nach Polen zurückgeschickt werden, weil ihnen ein bestimmtes Dokument fehlte. Es war, wenn auch auf illegale Weise, schon erstellt worden und mußte nur noch bezahlt werden. Wazyk rief ihn an und bat darum, daß durch einen Boten achthundert Mark geschickt würden, die in Raten von seinem Lohn abgezogen werden sollten. Er flehte ihn geradezu um Beistand an, wenn nicht um seinetwillen, dann doch bitte wegen seiner Frau und der drei Kinder. Die Bereitschaft, sich auf ein Gespräch so heiklen Inhalts überhaupt einzulassen, hatte nur am Rande mit Wazyks familiären Verhältnissen zu tun gehabt. Entscheidend war gewesen, daß der Pole die Formulierung gewählt hatte: »Ich hab’ kein Person in ganzes Bundesrepublik, in das ich vertrauen kann, nur Sie.« Das hatte ihn gerührt, und er war schwach genug gewesen, sich wohl zu fühlen bei dem Gedanken, daß da ein Mensch so rückhaltlos auf ihn setzte. Doch einen Boten zu beauftragen war höchst riskant, und so entschloß er sich, das Geld selbst zu überbringen. Der Pole nannte ihm die Adresse eines gewissen Bill Morrison im Stadtteil St. Georg.
    Dieser Morrison hatte sich dann als ein freundlicher, schon älterer Deutsch-Amerikaner erwiesen, der ihm das Papier aushändigte und zum Schluß sagte, er könne auf ihn zählen, falls mal wieder ein Dokument gebraucht werde, bis auf Schweizer Pässe habe er so ungefähr alles auf Lager.
    An diese Worte hatte er, nachdem der Plan zur ChileReise aufgekommen war, oft gedacht, und nun, es war der erste Tag nach seiner Entlassung, schritt er durch eine der kleinen Straßen von St. Georg, in der es zahlreiche Kneipen, Pornoläden und Huren gab, und suchte nach dem Haus, in dem der Mann damals gewohnt hatte. Und fand es. Nach seiner Erinnerung war es die linke ParterreWohnung gewesen, an deren Türschild der Name Morrison gestanden hatte. Aber nun las er. Boltmann.
    Er klingelte. Die Antwort war Hundegebell. Der Tonlage nach mußte es ein kleines Tier sein. Eine blonde Frau mittleren Alters öffnete, und an ihr vorbei schlängelte sich ein modisch zurechtgestutzter grauer Zwergpudel, der ihm ans Hosenbein wollte. Doch die Frau packte das Hündchen mit energischem Griff am Halsband und zerrte es zurück.
    »Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Bill besuchen, einenAmerikaner, der hier vor vier Jahren wohnte.«
    »Ach, der Herr Morrison! Der wohnt schon längstwoanders. Wir sind hier vor zwei Jahren eingezogen.« »Kennen Sie seine neue Adresse? Ich muß ihn dringendsprechen.«
Bedauerndes Kopfschütteln. »Leider nicht, denn vor unshatte noch eine andere Familie die Wohnung, eine türkische.«
»Wer im Haus könnte mir vielleicht weiterhelfen?« »Wahrscheinlich keiner. Hier lebt jeder für sich.« »Zu dumm!«
»Sie könnten sich höchstens mal in dem Lokal gegenüber erkundigen. Kneipenwirte wissen ja meistens mehr als andere. Nur ein paar Schritte nach links.«
»Ich versuch’s. Vielen Dank.«
Sein Weggang wurde mit erneutem Gebell quittiert, und wieder mußte die Frau den kleinen Kläffer zurückreißen.
Er ging hinüber auf die andere Straßenseite, hielt auf das Lokal zu. Doch schon nach wenigen Schritten verstellte
eine Frau ihm den Weg.
»Wohin denn so eilig?«
»Hab’ keine Zeit«, sagte er zu ihr, die nach seinem Urteil ein wenig zu lang und zu dürr geraten war fürs Gewerbe. »Dann mußt du sie dir nehmen.« Sie hakte sich bei ihm ein. »Leicht gesagt. Wie teuer bist du denn?« »Nicht teuer. Fünfzig.«
»Ich geb’ dir die fünfzig, wenn du mir verrätst, wo ich einen Mister Morrison finde. Er hat früher da drüben gewohnt.« Olaf zeigte auf das Haus.
    »Keine Ahnung. Bin noch nicht lange in der Gegend. Mit mir ist es bestimmt schöner als mit deinem

Weitere Kostenlose Bücher