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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Bill.«
    »Sicher, aber ihn muß ich nun mal dringend sprechen.« Er machte sich los, sagte noch: »Vielleicht ein anderes Mal«, und ging weiter, betrat die Kneipe, steuerte an fünf, sechs Gästen vorbei auf die Theke zu, setzte sich auf einen der Hocker, bestellte ein Bier.
    Der Wirt, ein etwa fünfundvierzigjähriger rotblonder Mann mit geradezu irritierend hellen Augen, begann zu zapfen, wischte zwischendurch das kleine Stück Thekenplatte, an dem Olaf saß, mit einem Lappen ab, legte den Bierdeckel hin. Das Glas kam, Olaf trank.
    »Ich brauch’ ’ne Auskunft. Ich suche nach einem Bekannten, einem Bill Morrison. Er ist ein halber Ami und wohnte …«
    »… drüben auf der anderen Seite, ich weiß. Da wohnt er schon lange nicht mehr.«
»Ich muß ihn sprechen, und die Leute im Haus kennen seine neue Adresse nicht. Vielleicht hab’ ich bei Ihnen mehr Glück.«
»O ja, ich weiß, wo er steckt.«
»Na, wunderbar!«
»In der Strafvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, Zelle …, ich glaub’, zweihundertsechzehn.«
»Mist!«
»Die Besuchszeiten sind mir nicht bekannt, aber wahrscheinlich hat die Sache sich nun sowieso für Sie erledigt.«
»Kann man sagen, ja.« Olaf nahm wieder einen Schluck Bier und zündete sich dann eine Zigarette an. Der Wirt verließ seinen Platz, um einen angetrunkenen Gast, der einen der beiden im Schankraum aufgestellten Spielautomaten mit den Fäusten bearbeitete, zur Räson zu bringen. Ein heftiger Wortwechsel entstand.
»Das Ding betrügt!« rief der Spieler. »Also darf ich ihm ja wohl ’ne Kopfnuß geben.«
»Darfst du nicht! Das Gerät ist in Ordnung. Und nun mach, daß du hier verschwindest, sonst ruf ich die Bullen.«
»Aber ich hab’ ’ne Mark reingesteckt, und er gibt mir keine Munition.«
Der Wirt drückte auf einen Hebel. Gleich darauf hörte man das Geräusch der Kugeln, die sich im Abschußkanal sammelten. »Siehste? Er funktioniert doch!«
»Ja, mit ’m Trick.«
»Quatsch, das ist kein Trick. Mußt dir nur die Anleitung durchlesen, falls du lesen kannst. So, jetzt mach dein Spiel, und wenn du noch mal auf ihm rumtrommelst, fliegst du hier raus.« Wortlos setzte der Gescholtene eine Kugel in Marsch. Das Klingeln ertönte, und der Wirt kehrte zur Theke zurück. »Ich hab’ da mal ’ne Frage.« Olaf legte einen Fünfzigmarkschein auf den Tresen. »Wenn ich helfen kann.«
»Sie wissen doch sicher, womit Morrison gehandelt hat, als er noch da drüben wohnte.«
»Meinen Sie? Ich weiß nur, daß er hinten in seiner Wohnung ’ne kleine Werkstatt hatte. Ich glaub’, da hat er Uhren repariert.«
»Offiziell vielleicht, aber in Wirklichkeit hat er was anders gemacht.«
»Was denn?«
»Er hat Leuten geholfen, die in der Klemme saßen.«
»Ja, und nun sitzt er selbst in der Klemme.«
»Wissen Sie, wer seinen Job übernommen hat?« Der Wirt schüttelte den Kopf. »Bester Mann, stecken Sie Ihren Lübecker wieder ein! Ich kann Ihnen ganz bestimmt nicht weiterhelfen. Das Bier macht drei-sechzig.«
Olaf begriff. Das war definitiv. Er zahlte und verließ das Lokal, wollte in die Richtung gehen, aus der er gekommen war. Aber da war schon wieder die Lange, Dürre auf dem Sprung, und so machte er kehrt, ging langsam die Straße entlang in Richtung Hauptbahnhof, überlegte, was er nun machen sollte. Ihm fiel der Hansaplatz ein, auf dem seit Jahren allerlei finsteres Volk zusammenkam, Dealer, Zuhälter, leichte Mädchen. Es würde ihm nicht behagen, sich dort an die Szene heranzutasten, immer auch in der Gefahr, daß er mit seinen Fragen an den Falschen geriete. Viel lieber wäre es ihm gewesen, auf Morrison zurückgreifen zu können, hatte er doch bei ihm nicht lange um die Sache herumreden müssen. Aber da der Mann entfiel, hatte er keine Wahl, wenn er zu seinem Paß kommen wollte, und den brauchte er eben.
Er machte abermals kehrt, ging wieder durch die Straßen von St. Georg, wurde mehrmals von Frauen angesprochen, wies sie ab, stieß schließlich auf das große, gepflasterte und mit Bäumen bestandene Areal, das jetzt, zu Beginn des Winters, einen unwirtlichen Eindruck machte. An verschiedenen Stellen standen Menschen in Gruppen beieinander. Im Lampenlicht erkannte er, daß es vorwiegend Ausländer waren.
Zweimal umrundete er den Platz, und dann trat er an einen jungen Burschen heran, zog ihn einen Schritt zur Seite. »Wo kann ich was kaufen?« fragte er ihn. »Stoff?«
»Reden wir erst mal!«
»Komm!«
Er folgte dem Mann in einen halbdunklen Hauseingang, war dabei nicht frei von Angst. Er

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