1992 Das Theunissen-Testament (SM)
den grünen angeht, kann ich dir kein taufrisches Exemplar verschaffen. Ich hab’ nur ein paar gebrauchte, und zwar von Leuten, die gestorben sind. Wir müssen einen aussuchen, der zu dir paßt, und dann das Foto auswechseln. Unsere Arbeit besteht in der Perforierung und in der Vervollständigung des kleinen Stempels, von dem ja ungefähr ein Viertel auf dein Bild kommt, na, und natürlich darin, daß wir überhaupt einen gültigen Paß zur Verfügung stellen. Wenn du damit nicht gerade in dem Amt aufkreuzt, in dem er ausgestellt wurde, wird er dir helfen. Kannst durch die ganze Welt reisen, denn kein Grenzer weiß, daß der eigentliche Paßinhaber tot ist. Aber denk jetzt nicht, daß wir den umgebracht haben! So was tun wir nicht. Wir studieren nur die Todesanzeigen und besorgen uns dann die Pässe. Wie, das muß ich dir nicht auf die Nase binden.«
»Klar.«
Max stand auf, ging in ein anderes Zimmer, kam nach einigen Minuten zurück und legte einen Stapel deutscher Pässe auf den Tisch. »Machen wir mal die erste Anprobe«, sagte er und schlug eins der grünen Dokumente auf, las darin, legte es wieder weg, nahm den nächsten Paß, sah sich die Personalien an. »Nein, zu alt.« Der dritte war ein schon reichlich zerfleddertes Exemplar. »Den nicht«, sagte Olaf. »Mit so einem Lappen würde ich sofort auffallen.«
»Stimmt. Läuft auch schon in sechs Wochen ab.«
»Das hatte ich zu sagen vergessen: Er muß noch mindestens ein halbes Jahr gültig sein.«
»Das ist viel«, antwortete Max und suchte weiter. Einmal, beim fünften oder sechsten Paß, sagte er: »Mathilde. Entfällt auch. Hast ja wohl keine Geschlechtsumwandlung vor. Dieser«, er hatte schon den nächsten zur Hand genommen, »könnte es werden, ist noch ein Jahr gültig. Erklär nun aber bloß nicht, daß dir der Name nicht paßt!«
»Wie lautet er denn?«
»Julius Offermann.«
Olaf sprach den Namen halblaut vor sich hin, mehrmals, sagte schließlich: »Klingt gut.« Er ließ sich den Paß geben und las die Personalien. Julius Offermann war zwei Zentimeter kleiner als er gewesen und hatte grüne Augen gehabt, während seine grau waren. Besondere Kennzeichen gab es nicht. Die ausstellende Behörde war in einem ihm unbekannten Ort in Hessen beheimatet.
»Gut, den nehm’ ich«, sagte er. »Wie soll die Bezahlung laufen?«
»Eine Hälfte jetzt, die andere bei Lieferung.« Und wieder war die Situation kritisch. Was, wenn Max und seine beiden Schlepper die anderthalb tausend Mark kassierten und ihn dann sitzenließen? Das Haus würde er auf keinen Fall wiederfinden, und daß er nicht zur Polizei gehen konnte, wußten sie. Aber es ging nicht anders, er mußte die gestellte Bedingung akzeptieren.
»In Ordnung«, sagte er also und legte einen Tausender und fünf Hunderter auf den Tisch. »Wann?«
»Das mach’ ich dir noch heute nacht. Morgen kannst du das Ding haben.«
»Wo und wie?«
»Meine Freunde«, sagte Max und zeigte auf die beiden anderen, die während der ganzen Zeit in der Nähe der Tür gestanden hatten, »übergeben dir den Paß gegen Zahlung der Restsumme. Ort und Zeitpunkt macht ihr unter euch aus.«
»Gut.«
»Wohin soll’s denn gehen?«
»Nach Marokko«, antwortete Olaf. Doch kaum war die Lüge heraus, da bereute er sie. Max grinste denn auch und sagte: »Dann grüß mir die hübschen kleinen Chileninnen!«
»Ich geb’ zu«, erwiderte Olaf, »das war …«
»… ’ne Irreführung, ich weiß. Man kann sich gut hineindenken in deinen Fall. Schrott anstelle von Kupfer …, das fasziniert mich, die beiden Toten weniger.«
»Eben! Vor allem ihretwegen will ich die Wahrheit ans Licht bringen.« Er stand auf. Max hielt ihm die Hand hin. Sie verabschiedeten sich, und dann erfolgte aufs neue die Prozedur mit dem Schal.
Auf der Rückfahrt durfte er schon nach fünf Minuten das Tuch vom Gesicht nehmen. Da waren sie in der Hallerstraße, was aber wiederum keine Schlüsse zuließ.
Am Hansaplatz stiegen sie aus. Noch einmal das Händeschütteln, fast wie unter Freunden, was ihm nicht behagte. Doch solche Konzessionen mußte er machen.
»Morgen nachmittag um fünf«, sagte der Graukopf. »An dieser Stelle.«
»Ich werde pünktlich sein«, erwiderte Olaf und gab ihm die dreihundert Mark. Er ging in Richtung Kirchenallee. Um Viertel vor sieben war er am Hauptbahnhof, nahm sich dort ein Taxi.
16
Am liebsten wäre er mit Federico Mendoza und Ernesto Valenzuela in den Haubarg gefahren, um dort in aller Abgeschiedenheit den Einsatzplan zu besprechen. Aber noch
Weitere Kostenlose Bücher