1992 Das Theunissen-Testament (SM)
wollte er die richterliche Auflage, sich nur in Hamburg aufzuhalten, erfüllen, weil die viel gravierendere Übertretung, die er plante, nicht gefährdet werden durfte, und so hatte er für das Treffen, an dem auch Jacob teilnahm, sein altes Büro in der Holzfirma gewählt.
Die Jalousien waren heruntergezogen, so daß kein Licht nach außen drang. Auf dem Schreibtisch lagen der Schiffsplan der OLGA THEUNISSEN und die Kopien der letzten Ladepapiere, außerdem Landkarten von den Distrikten Valparaiso, Santiago und Talcahuano und eine Seekarte der chilenischen Küstengewässer. Gern hätte er auch die von Dr. Vosswinkel erbetenen Fotos hinzugefügt, doch die sollte er erst in den nächsten Tagen bekommen.
Er hatte die beiden Spanier zunächst mit allen Einzelheiten der Theunissen-Affäre, wie die Presse den spektakulären Schiffs-Untergang zu bezeichnen pflegte, vertraut gemacht und an Hand der ausgebreiteten Unterlagen erklärt, wie die Ladung gestaut gewesen war und wo die Explosionen stattgefunden hatten. Dann hatte er ihnen auf der Seekarte die Unglücksstelle gezeigt und anschließend die verschiedenen Theorien der BRISTOL INSURANCE vorgetragen. Zur Einführung hatte aber auch gehört, den testamentarisch verfügten Wettbewerb zu erläutern und von dem unerwarteten Zuwachs der Erbmasse durch das Muñoz-Kupfer zu berichten. Schließlich waren noch die Argumente der Staatsanwaltschaft zur Sprache gekommen, auf Grund derer er als der Hauptverdächtige galt. Sie hatten sich dann in die Sitzecke zurückgezogen, tranken Kaffee. Schon jetzt glaubte Olaf zu wissen, daß Jacob eine gute Wahl getroffen hatte. Federico Mendoza, der Mann aus Estepona, war achtundzwanzig Jahre alt, mittelgroß, schlank. Er hatte seine olivgrüne Lederjacke ausgezogen, und der Anblick des nur von einem knappen kurzärmeligen T-Shirt bedeckten Oberkörpers ließ auf trainierte Muskelkraft schließen. Das Haar war fast schwarz, das Gesicht dunkel, was Olaf auf den maurischen Einschlag zurückführte. Für ihn verkörperte Federico jenen dynamischen, zielsicheren Typ, den man sowohl diesseits wie jenseits des Gesetzes antraf und dem nicht auf Anhieb anzusehen war, ob die ihm innewohnende Energie der guten oder der bösen Sache diente. Auf jeden Fall flößte seine Erscheinung ihm Respekt ein.
Ernesto Valenzuela war ein Jahr älter als sein Landsmann und wirkte weniger hart. Er sah auch nicht so südländisch aus, und das lag, wie er gleich zu Beginn erzählt hatte, daran, daß sein Vater zwar Spanier, seine Mutter aber Deutsche war. Er trug ein sportlich geschnittenes schwarzes Oberhemd und blaugraue Jeans. Seine Gesichtsfarbe war viel heller als die Federicos. Die fahle Blässe schien sogar auf ein Leiden hinzudeuten, aber schon bald begriff Olaf, daß es wohl eher eine Leidenschaft war, denn Ernesto rauchte Kette, und zwar filterlose Gauloise. Der Ibero-Deutsche hatte auch erzählt, daß er die kleine Orangen-Plantage seines Vaters verwaltete. Zur Zeit gab es dort nicht viel zu tun, und so war er abkömmlich. Er und Federico waren Schulfreunde gewesen, hatten sich für ein paar Jahre aus den Augen verloren und dann wiedergefunden. »Bevor wir die Marschroute festlegen«, sagte Olaf, »noch ein paar Bemerkungen zu dem, was uns offiziell verbindet, wenn wir drüben auftreten. Nur für alle Fälle. Ich bin Julius Offermann, Inhaber einer Konservenfabrik in Norddeutschland, und Sie beide sind in der Fischzucht tätig. Wir wollen uns in Chile umsehen und dort vielleicht einen fischverarbeitenden Betrieb auf die Beine stellen. Einzelheiten sind uninteressant, die grobe Linie genügt. Übrigens bin ich froh darüber, daß wir deutsch miteinander reden können. Wie kommt es nur, daß Sie, Federico, es fast akzentfrei sprechen? Bei Ihnen, Ernesto, liegt’s natürlich an der deutschen Mutter.«
»Ich hatte einen Freiplatz auf der Deutschen Schule«, antwortete Federico, »und den mußte ich mir durch erfolgreiche Zwischenprüfungen immer wieder neu verdienen, hab’ also Tag für Tag über den Büchern gesessen. Hinzu kommt, daß ich oft auf deutschen Schiffen gefahren bin.«
»Das hilft uns jetzt, denn mit meinem Spanisch ist es nicht weit her. Also, kommen wir zur Sache! Sie wissen, worum es geht. Wir müssen herausfinden, wer hinter dem Anschlag auf die OLGA THEUNISSEN steckt. Ich möchte Ihnen noch einmal mit allem Nachdruck erklären, daß ich unschuldig bin und weder Kosten noch Mühen scheuen werde, um den Täter zu entlarven. Zwei Tote hat es
Weitere Kostenlose Bücher