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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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aber vielleicht gibt’s ’ne andere Auffälligkeit.«
    Olaf und Ernesto fanden den Vorschlag gut, und um Zeit zu sparen, machten sie sich getrennt auf den Weg. Olaf ging als erstes zu einem der beiden Kräne, besah sich dort eine Weile den mit viel Lärm verbundenen Arbeitsvorgang. Am dicken Drahtseil, das vom Kran herabhing, war eine Spinne befestigt, ein tonnenschweres stählernes Monstrum mit meterlangen Zangenarmen, die aus einer aufgetürmten Halde Auto für Auto herausklaubten, auf dem Boden absetzten und dann platt drückten. Es handelte sich um jene Fahrzeuge, die bereits ausgeschlachtet waren. Die jeweils auf eine Höhe von etwa dreißig Zentimetern zusammengeschrumpfte Karosserie wurde anschließend, wiederum von der Spinne, auf einen bereitstehenden Lastwagen befördert. Den Sinn des rabiaten Preßvorgangs konnte man mit einem Blick erfassen. Der Laster hätte vielleicht drei, vier äußerlich unversehrte Autos abtransportieren können, aber in zerquetschtem Zustand waren es mindestens zehn pro Fuhre.
    Es muß hier, dachte er, aber noch andere Maschinen geben, denn in den Containern der OLGA sollen viel kleinere und höchst kompakte Quader gewesen sein. Er ging weiter, vorbei an Männern, die teils in, teils auf, teils unter den Autos hockten, um sie auszuweiden. Als er die Reihe abgeschritten hatte, fiel sein Blick auf ein Dutzend separat stehender Wagen, die noch intakt zu sein schienen und blitzblank geputzt waren. Ein straffgezogenes Seil trennte sie ab, und davor saß ein junger Mann auf einem Klappstuhl. Er brauchte ihn nicht erst zu fragen, hatte es an den Preisschildern, die hinter den Windschutzscheiben saßen, schon erkannt. Die kleine Phalanx enthielt die wenigen Perlen des Angebots, die aufgemöbelten Oldtimer. Unter ihnen entdeckte er einen grauen ROLLSROYCE und einen schwarzen MERCEDES aus der Adenauer-Zeit. Die Preise waren horrend.
    Er ging weiter, kam an eine große Werkhalle, vor der ein Zerdirator stand, dessen Arbeitsweise der einer Kaffeemühle ähnelte, nur daß die Dimension eine andere war. Ein gewaltiger Trichter nahm, gespeist von einem Bagger, ein Sammelsurium bereits auf handliche Maße gestutzter Wrackteile auf, und unten heraus kam der zu Granulat gemahlene Schrott, den ein Förderband ins Innere der Halle transportierte. Das alles wäre sicher von großer Faszination für ihn gewesen, sofern er es unbelastet hätte betrachten können, aber es ging darum, eine Spur zu entdecken. Nur das war wichtig. So ließ er sich nicht aufhalten und stieß dann auch endlich auf die Maschine, die ihn mehr als alle anderen interessierte, auf die Paketpresse, mit der, wie Vosswinkel ihm gesagt hatte, deutsche Betriebe schon seit zwanzig Jahren nicht mehr arbeiteten. Was er hin und wieder in Filmen gesehen hatte, spielte sich hier ganz real vor seinen Augen ab. Ein Auto, zwar ausgenommen, aber von Größe, Form und Farbe her noch immer das, was es einmal gewesen war, wurde von einem Kran in einen Kasten gehievt, der kleiner und kleiner wurde, je mehr seine gewaltigen metallenen Backen es von allen Seiten her zusammenschoben und zu einem Paket kneteten, das fast noch handlich zu nennen gewesen wäre, wenn der Vorgang nicht zugleich die Erkenntnis geliefert hätte, daß der entstandene Quader ein enormes Gewicht haben mußte.
    Nun geschah es doch, daß er sich für eine Weile an die geradezu mystische Verwandlung verlor, die sich da vor seinen Augen vollzog. Ein Auto, auf das sein Besitzer vielleicht jahrelang gespart hatte und das dann das Glück, wer weiß, einer ganzen Familie gewesen war, büßte im Handumdrehen seine Kontur, seine Eleganz, seinen technischen Standard, seinen Nutzen und damit seinen Sinn ein, wurde zu einem starren, kalten Klotz. Oder, auch diese Version ging ihm durch den Kopf, da wurde ein schöner Traum zermalmt.
    Er trat an die bereits gestapelten Quader heran, betrachtete sie aus unmittelbarer Nähe, ja, betastete sie sogar. Doch dann schreckte er aus seinen Gedanken auf, denn Ernesto stand plötzlich neben ihm und sagte:
    »Kaum zu glauben, daß die alle mal mit hundert oder hundertfünfzig Sachen über die Landstraßen gebraust sind und daß in so einem Ding gequatscht und gesungen, gestritten, geträumt und geliebt wurde. Jedenfalls sieht man ihm das jetzt nicht mehr an.« Und dann sagte er noch: »Ich tippe, daß in keinem der vielen Kofferräume eine Leiche versteckt war. Sonst würde jetzt links und rechts der Saft rausträufeln wie bei einer

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