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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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zunächst die Schritte des Einbeinigen, dann das Herausziehen und Zurückschieben einer Schublade, wieder Schritte.
    »Danke. Wenn Sie krank sind, sollten Sie aber nicht die ganze Nacht über Ihren Papieren zubringen!«
    Erneut fiel das Wort Notfall, und dann kam es auch schon zur Verabschiedung. Das Ganze hatte höchstens fünf Minuten gedauert.
    Fehrkamp drückte die Schlafzimmertür auf, sprach ins Dunkel:
    »Er ist weg.«
    Kopjella ging ins Wohnzimmer und setzte sich. Der Umschlag lag auf dem Tisch. Er griff danach und wiegte ihn in der Hand. »Du hattest diese Bombe also tatsächlich deponiert«, sagte er und riß die Hülle auf, zog ihren Inhalt heraus, überflog ein paar Blätter. »Wirklich schweres Kaliber«, sagte er dann und packte alles wieder ein. 
    »Ja, wie ich’s dir schon erklärt habe. Wenn wir dich am Leben ließen, hätten wir keinerlei Gewähr dafür, daß du nicht einen neuen Zeitzünder bastelst und ihn irgendwo hinterlegst.«
»Ich schwöre dir …«
»Laß das! Wer in die Enge getrieben ist, schwört alles, was die anderen hören wollen.«
»Aber meine Tochter! Meine Enkelkinder! Ihr habt doch, was mich betrifft, das kostbarste Faustpfand, das es überhaupt gibt!«
»Könntest ja anderen Sinnes werden. Du weißt, nichts gilt für die Ewigkeit.«
Fehrkamp erstarb die Antwort auf den Lippen, als er sah, wie Kopjella das silberne Döschen hervorholte, es aufklappte und langsam über den Tisch schob.
»Nein … , nein … , nein!« Die Stimme des Alten überschlug sich, und was folgte, kam ihm nur stockend über die Lippen: »Das … kannst du nicht tun! Nicht mit mir! Ich war … , ich war doch mal … dein engster Mitarbeiter, dein Freund! Du hast mir sogar … , hast mir, als ich sechzig wurde, eine Brieftasche geschenkt, ein ganz teures Stück aus marokkanischem Ziegenleder. Und … , und … hast auch die Rede gehalten, beim Empfang, und gesagt, ich sei jemand, auf den man sich verlassen kann. Allen hat die Rede gefallen, am meisten meiner Frau. Sie sagte hinterher zu mir: ›Der Kopjella, der hat dir ein Denkmal gesetzt‹. Ja, das sagte sie, und jetzt … , jetzt willst du mich umbringen. Das paßt doch nicht zusammen! Und … , warte!«
Diesmal fand er erstaunlich schnell aus dem Sessel heraus, stützte sich mit der Linken auf der Lehne ab und packte mit der Rechten eine der Krücken. »Ich hab’ die Brieftasche noch, hab’ sie im Schreibtisch.«
»Setz dich wieder hin! Ich weiß selbst, wie das Ding aussieht.«
So als hätte er gar nichts gehört, steuerte Fehrkamp auf seinen Schreibtisch zu, doch Kopjella zog ihn energisch zurück und herrschte ihn an: »Laß die Kinkerlitzchen! Wenn ich damals gewußt hätte, daß du das Zeug zum Verräter hast, wäre ich bestimmt nicht auf die Idee gekommen, dich zu beschenken, und noch viel weniger hätte ich eine Rede auf dich gehalten. Machen wir’s kurz! Erspare es mir, dir die Pille mit Gewalt verpassen zu müssen! Zeig noch einmal etwas von dem Schneid, den du früher hattest, und nimm sie freiwillig! Du steckst sie in den Mund, zerbeißt sie, und dann dauert es nur wenige Minuten. Los! Nein, einen Moment noch.« Er stand auf, trat an den Schreibtisch, klaubte dort einen Briefbogen auf und einen Füllfederhalter, legte beides vor Fehrkamp auf den Tisch und sagte:
»Ein paar Worte nur. Zum Beispiel: ›Ich habe mich geirrt und bereue, was ich all die Jahre hindurch getan habe, drüben, im anderen Deutschland. Verzeiht mir …‹ Danach die Unterschrift. Und nun hör mir mal gut zu, alter Junge! Ich hab’ keine Lust, erst noch lange mit dir zu feilschen. Solltest du dich querstellen, würde ich um halb zwei meinen Anruf vergessen. Dann ginge wahrscheinlich noch in dieser Nacht eine Amrumer Ferienpension in Flammen auf, oder morgen früh gäbe es dann einen Badeunfall. Am Strand. Also schreib!«
»Aber … , aber ich bin bei den Kindern auf Amrum angemeldet. Wenn ich nicht komme und auch nicht anrufe, werden sie sofort was unternehmen!«
»Gewäsch! Heute nacht wolltest du ja wohl nicht reisen und ebensowenig telefonieren, und morgen bin ich längst weg. Klar, daß du diesen Notanker jetzt noch auswirfst, aber selbst wenn du wirklich vorhattest, die Kinder demnächst zu besuchen. Sie werden dann eben deinen Brief finden und begreifen, daß in dir der Wunsch nach Sühne stärker war als alle Reiselust und stärker auch als alle familiären Bindungen. Nun fang schon an!« 
    Kopjella

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