1Q84: Buch 1&2
und Frauen anging, war Tamaki das geborene Opfer.
Aomame hatte keinen festen Freund. Manchmal verabredete sie sich mit Männern, darunter auch mit ein paar, die gar nicht so übel waren, aber eine tiefere Beziehung wurde nie daraus.
»Willst du dir nie einen Liebhaber zulegen, sondern für immer Jungfrau bleiben?«, fragte Tamaki sie.
»Ich bin zu beschäftigt«, sagte Aomame. »Endlich führe ich ein normales Leben. Ich habe keine Zeit, mich mit einem Freund zu vergnügen.«
Nach ihrem ersten Examen blieb Tamaki an der Universität und bereitete sich auf das Zweite Staatsexamen vor. Aomame arbeitete nun bei dem Hersteller für Sportgetränke und Reformkost und spielte Softball in der Firmenmannschaft. Tamaki wohnte noch immer zu Hause und Aomame in einem betriebseigenen Wohnheim in Yoyogi-Hachiman. Wie in ihrer Studentenzeit trafen sie sich am Wochenende zum Essen und zu endlosen Gesprächen.
Mit zweiundzwanzig heiratete Tamaki einen zwei Jahre älteren Mann. Als sie sich mit ihm verlobte, gab sie ihr Jurastudium auf, weil er nicht wollte, dass sie weiterstudierte. Aomame war ihm nur ein einziges Mal begegnet. Er war ein Sohn aus reichem Haus, erwartungsgemäß gut gebaut, mit einem nichtssagenden Gesicht. Sein Hobby war Segeln. Er drückte sich gewählt aus, sein Verstand schien einigermaßen zu funktionieren, aber er hatte keine Persönlichkeit, und seine Worte besaßen kein Gewicht. Aomame mochte ihn von Anfang an nicht, und das beruhte vermutlich auf Gegenseitigkeit.
»Diese Ehe wird nicht gutgehen«, sagte Aomame zu Tamaki. Sie hatte sich nicht unnötig einmischen wollen, aber hier ging es schließlich nicht um eine Liebesaffäre, sondern ums Heiraten. Als Tamakis älteste und beste Freundin konnte sie nicht einfach schweigend zusehen. Damals hatten die beiden ihren ersten ernsthaften Streit. Tamaki hatte hysterisch auf Aomames Widerstand reagiert und sie mit ätzenden Worten beschimpft. Auch mit solchen, die Aomame lieber nicht gehört hätte. Daraufhin war sie nicht zur Hochzeit erschienen.
Doch Aomame und Tamaki hatten sich bald wieder versöhnt. Sofort als Tamaki von ihrer Hochzeitsreise zurückkam, war sie unangekündigt bei Aomame aufgetaucht, um sich für ihre Grobheit zu entschuldigen. Sie wünsche sich so sehr, dass Aomame vergessen würde, was sie damals gesagt hatte. »Ich war so blöd und vernagelt. Ich habe während der ganzen Hochzeitsreise an dich gedacht.« Sie solle sich keine Gedanken machen. »Ich habe mir sowieso nichts davon gemerkt«, sagte Aomame. Die beiden umarmten sich, witzelten und lachten.
Dennoch hatten sie nach Tamakis Hochzeit auf einmal weniger Gelegenheit, sich zu sehen. Sie schrieben einander häufig und telefonierten. Aber Tamaki schien keine Zeit zu haben, sich mit Aomame zu treffen. »Ich bin dermaßen beschäftigt mit dem Haushalt«, entschuldigte sie sich. »Du glaubst nicht, wie anstrengend es ist, Hausfrau zu sein.« Aber die Art, wie sie es sagte, weckte in Aomame den Verdacht, ihr Mann wolle nicht, dass Tamaki sich außer Haus mit jemandem traf. Und dann lebten sie auch noch mit den Eltern des Mannes zusammen. Anscheinend konnte Tamaki sich nicht ganz frei bewegen, hatte aber Aomame auch noch nie in ihre neue Wohnung eingeladen.
Ihre Ehe sei gut, betonte Tamaki bei jeder Gelegenheit. »Mein Mann ist sehr lieb, und seine Eltern sind ausgesprochen nette Leute. Ich fühle mich auch nicht unfrei. Manchmal segeln wir am Wochenende nach Enoshima. Ich bin nicht sonderlich traurig, dass ich das Jurastudium an den Nagel gehängt habe. Das Staatsexamen hat mir doch ziemlich Druck gemacht. Dieses mittelmäßige Leben passt vielleicht am Ende doch am besten zu mir. Eines Tages werde ich ein Baby bekommen und eine langweilige Mama von nebenan sein. Dann suche ich vielleicht auch einen Mann für dich.« Tamakis Stimme klang dabei heiter, und es gab keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln.
»Prima«, sagte Aomame. Sie dachte es wirklich. Statt sich zu bewahrheiten, hatten sich ihre bösen Vorahnungen offenbar in Wohlgefallen aufgelöst. Vielleicht war in Tamaki etwas zur Ruhe gekommen, dachte Aomame. Oder bemühte sie sich zu denken.
Es gab sonst niemanden, den Aomame als Freundin hätte bezeichnen können, und ihr Alltag war leer geworden, als es immer weniger Berührungspunkte mit Tamaki gab. Für Softball konnte sie sich auch nicht mehr so begeistern wie früher. Dadurch, dass Tamaki fast aus ihrem Leben verschwunden war, schien auch ihr Interesse an diesem Sport
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