1Q84: Buch 1&2
ihn erledigen, koste es, was es wolle. Andernfalls würde der Kerl, da gab es keinen Zweifel, einer anderen Frau wieder das Gleiche antun.
Lange und sorgfältig feilte Aomame an ihrem Plan. Sie wusste, dass ein Stich mit einer spitzen Nadel in einen bestimmten Punkt im Nacken eines Menschen augenblicklich dessen Tod verursachte. Er musste in einem bestimmten Winkel ausgeführt werden. Natürlich konnte das niemand. Doch Aomame konnte es. Es fehlten ihr nur noch die Fähigkeit, diesen extrem empfindlichen Punkt in kürzester Zeit zu erspüren, und ein für diese Tat geeignetes Instrument. Sie fertigte mit Hilfe verschiedener Werkzeuge eine Waffe an, die aussah wie ein sehr kleiner, feiner Eispick. Seine Spitze entsprach der Schärfe und Kälte ihres erbarmungslosen Vorhabens. Gewissenhaft übte sie verschiedene Methoden ein. Und als sie überzeugt war, sie zu beherrschen, setzte sie sie in die Tat um. Ohne zu zögern, gelassen und präzise ließ sie das Königreich über den Mann kommen. Anschließend betete sie sogar. Das Gebet kam ihr fast spontan über die Lippen.
Unser Vater im Himmel, dein Name werde geheiligt. Dein Königreich komme. Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben. Sei mit uns durch deinen Segen, sei um uns auf unseren Wegen. Amen.
Es war danach, dass Aomame periodisch diese heftige Begierde nach dem Körper eines Mannes überfiel.
KAPITEL 14
Tengo
Etwas, das noch kein Leser gesehen hat
Komatsu und Tengo trafen sich in ihrem gewohnten Café am Bahnhof Shinjuku. Der Kaffee war nicht gerade billig hier, aber die Tische standen so weit auseinander, dass man sich unterhalten konnte, ohne dass andere mithörten. Die Luft war relativ gut, die Musik unaufdringlich und leise. Wie immer kam Komatsu zwanzig Minuten zu spät. Er konnte einfach nicht pünktlich sein, ebenso wie Tengo nicht zu spät kommen konnte. Das war so etwas wie eine stehende Einrichtung. Komatsu trug das übliche Tweedjackett zu einem dunkelblauen Polohemd und hatte eine Ledermappe mit Papieren dabei.
»Entschuldige die Verspätung«, sagte er, ohne übermäßige Zerknirschung zu zeigen. Seine Laune schien besser als sonst, und das Lächeln auf seinen Lippen glich dem Strahlen einer Mondsichel.
Tengo nickte nur.
»Tut mir leid, dass ich dich so hetzen musste. Das war bestimmt nicht einfach«, sagte Komatsu, während er sich auf den Stuhl gegenüber fallen ließ.
»Ich will nicht übertreiben, aber das waren zehn Tage, in denen ich manchmal nicht wusste, ob ich tot oder lebendig bin«, antwortete Tengo.
»Aber du hast doch alles prima hingekriegt. Ohne Weiteres die Zustimmung von Fukaeris Vormund erwirkt und den Roman komplett überarbeitet. Donnerwetter! Wirklich eine reife Leistung für unseren weltabgewandten Tengo. Ich muss meine Sicht revidieren.«
Tengo ignorierte das Lob. »Haben Sie gelesen, was ich über Fukaeris Hintergrund geschrieben habe? Ziemlich ausführlich.«
»Ja, ja, habe ich. Klar. Zu lesen hast du mir genug gegeben. Eine – wie soll ich sagen – mordsmäßig komplizierte Geschichte. Das reinste Epos. Jetzt aber mal was ganz anderes. Ich hätte nie gedacht, dass es sich bei Fukaeris Vormund um Ebisuno handelt. Die Welt ist klein. Hat der Professor irgendwas über mich gesagt?«
»Über Sie?«
»Ja, über mich.«
»Nein, nichts weiter.«
»Das ist ja sonderbar.« Komatsu schien einigermaßen verwundert. »Ebisuno und ich hatten früher beruflich miteinander zu tun. Hin und wieder habe ich Manuskripte aus seinem Seminar an der Uni bekommen. Vor langer Zeit, als ich noch ein ganz junger Redakteur war, weißt du.«
»Wenn das schon so lange her ist, hat er es ja vielleicht vergessen. Er hat mich nämlich gefragt, was für ein Mensch Sie seien.«
»Kann nicht sein.« Komatsu schüttelte mit bedenklicher Miene den Kopf. »Auf keinen Fall. Der Professor ist ein Mensch, der nie etwas vergisst. Er hat ein geradezu beängstigend gutes Gedächtnis, und wir diskutierten damals viel über … Egal. Er ist ein Typ, den man nicht mit normalen Maßstäben messen kann. Nach deinem Bericht ist die kleine Fukaeri in eine ziemlich komplizierte Sache verwickelt.«
»Ziemlich kompliziert ist gut! Wir halten buchstäblich eine Bombe im Arm. Fukaeri ist in keiner Hinsicht normal. Sie ist nicht einfach ein hübsches siebzehnjähriges Mädchen. Sie leidet an Legasthenie, das heißt, sie kann nicht mal richtig lesen. Schreiben kann sie auch nicht besonders. Außerdem hat sie irgendein Trauma
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