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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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auszugehen, ergab sich für sie äußerst selten. Sie hatte keinen Freund, traf sich mit niemandem. Nach Tamaki Otsukas Heirat hatte sie nicht einmal mehr eine Freundin gehabt, mit der sie essen gehen konnte. Wenn sie auf die Jagd nach einem flüchtigen Liebhaber ging, machte sie sich entsprechend zurecht und zog sich gut an, aber auch das geschah ja höchstens einmal im Monat. Viel Kleidung brauchte sie also wirklich nicht.
    Und wenn sie etwas benötigte, durchstreifte sie die Boutiquen in Aoyama und kaufte ein brandaktuelles »Killer-Kleid« und ein paar Accessoires dazu. Ein Paar hohe Schuhe reichten für sie aus. Normalerweise trug sie flache Schuhe und band ihr Haar im Nacken zusammen. Das Gesicht schrubbte sie sich mit Seife und benutzte anschließend eine einfache Creme, die ihrer Haut eine strahlende Frische verlieh. Wer einen sauberen, gesunden Körper hatte, dem fehlte es an nichts.
    Aomame war von Kind an ein anspruchsloses Leben ohne Extravaganzen gewohnt. Seit sie denken konnte, hatte man ihr die Prinzipien von Enthaltsamkeit und Mäßigung eingebläut. In ihrer Familie gab es nie etwas im Überfluss. »Verschwendung« war das Wort, das ihre Eltern unentwegt im Munde führten. Sie besaßen weder einen Fernseher, noch abonnierten sie eine Tageszeitung. Nachrichten galten als unnötig . Fleisch oder Fisch kamen nur selten auf den Tisch. Die für ihr Wachstum nötigen Nährstoffe erhielt Aomame hauptsächlich durch das Essen in der Schulkantine. Andere Kinder waren oft sehr wählerisch und mochten dies nicht und das nicht, aber Aomame verleibte sich gern noch ihre Portion mit ein.
    Aomames Garderobe war ausnahmslos geerbt. Ihre Glaubensgemeinschaft unterhielt eine Art Tauschbörse für gebrauchte Kleidungsstücke, und so bekam sie abgesehen von der vorgeschriebenen Schuluniform nicht ein einziges Mal etwas Neues zum Anziehen. Sie konnte sich auch nicht erinnern, jemals Kleider oder Schuhe getragen zu haben, die genau ihre Größe hatten. Die Farben und die Schnitte waren sowieso scheußlich. Wenn Menschen nur ein ärmliches Leben führen können, weil sie mittellos sind, lässt sich das eben nicht ändern. Aber Aomames Familie war nicht einmal arm. Ihr Vater arbeitete als Ingenieur und verfügte über ein normales Einkommen und sogar über Ersparnisse. Er hatte sich lediglich aus Prinzip für dieses karge Dasein entschieden.
    Jedenfalls unterschied sich Aomames Alltag zu sehr von dem der normalen Kinder in ihrer Umgebung, als dass sie Freundschaften hätte schließen können. Sie besaß keine angemessene Kleidung und hätte auch gar nicht die Mittel gehabt, um etwas mit Freunden zu unternehmen. Sie bekam kein Taschengeld, und selbst wenn jemand sie zu seinem Geburtstag eingeladen hätte (was glücklicher- oder unglücklicherweise niemals vorkam), hätte sie nicht einmal ein kleines Geschenk kaufen können.
    Aus all diesen Gründen waren Aomame nicht nur ihre Eltern, sondern auch der Kreis, dem diese angehörten, und die damit verbundenen Ansichten zutiefst verhasst. Was sie sich wünschte, war ein normales Leben wie alle anderen. Nicht dass sie sich nach Luxus gesehnt hätte. Ein ganz alltägliches Leben hätte ihr schon genügt. Mehr brauchte sie nicht. Sie sehnte sich danach, möglichst schnell erwachsen zu werden, um sich von ihren Eltern lossagen und nach ihrer eigenen Fasson leben zu können. Nur das essen, was sie essen wollte, und frei über das Geld in ihrem Portemonnaie verfügen. Sie wollte ungebrauchte Kleidung nach ihrem eigenen Geschmack kaufen, Schuhe tragen, die ihr passten, gehen, wohin sie gehen wollte, Freundschaften schließen und hübsch verpackte Geschenke austauschen.
    Doch als Aomame erwachsen war, entdeckte sie, dass sie sich am wohlsten fühlte, wenn sie ein genügsames, maßvolles Leben führte. Es ging ihr gar nicht so sehr darum, sich mit Freunden zu treffen und zu feiern, stattdessen war es ihr viel lieber, im Trainingsanzug zu Hause zu sitzen.
    Nach Tamakis Tod kündigte Aomame ihre Stelle bei der Sportgetränkefirma und zog von dem Wohnheim, in dem sie bis dahin gelebt hatte, in ein Mietshaus in Jiyugaoka. Ihre neue Wohnung hatte ein Schlafzimmer, einen Wohn-, Ess- und Küchenbereich und war nicht gerade als groß zu bezeichnen, aber durch ihre Leere wirkte sie geräumiger, als sie eigentlich war. Aomame las viel, aber sobald sie ein Buch ausgelesen hatte, verkaufte sie es an ein Antiquariat. Sie hörte auch gern Musik, sammelte aber keine Platten. Aus irgendeinem Grund konnte

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