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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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getrieben wurde, mit nie zuvor gekanntem Ehrgeiz einen eigenen Roman zu schreiben. Dies war natürlich ein Wandel zum Besseren. Praktisch jedoch war damit sein bisheriger selbstgenügsamer Lebensstil einschneidenden Veränderungen unterworfen.
    Jedenfalls war morgen Freitag. Seine Freundin würde kommen. Bis dahin musste er Fukaeri aus dem Haus haben.
    Gegen zwei Uhr morgens stand Fukaeri plötzlich auf. Sie öffnete die Schlafzimmertür und kam im Pyjama in die Küche. Sie trank ein großes Glas Leitungswasser und setzte sich, während sie sich die Augen rieb, Tengo gegenüber an den Küchentisch.
    »Störe ich«, fragte sie wie üblich ohne fragende Intonation.
    »Nein, du störst nicht.«
    »Was schreiben Sie da.«
    Tengo klappte seinen Block zu und legte den Kugelschreiber auf den Tisch.
    »Nichts Besonderes«, sagte Tengo. »Ich wollte sowieso allmählich Schluss machen.«
    »Kann ich ein bisschen bei Ihnen sitzen«, fragte Fukaeri.
    »Aber sicher. Ich trinke einen Schluck Wein. Möchtest du auch?«
    Sie schüttelte den Kopf. Nein, danke, hieß das. »Ich möchte eine Weile aufbleiben.«
    »In Ordnung. Ich bin auch noch nicht müde.«
    Tengos Pyjama war Fukaeri viel zu groß, und sie hatte Ärmel und Hosenbeine weit hochgekrempelt. Wenn sie sich nach vorn beugte, konnte er den Ansatz ihrer Brüste sehen. Beim Anblick von Fukaeri in seinem Schlafanzug fiel Tengo das Atmen seltsam schwer. Er öffnete den Kühlschrank und goss sich den Rest Wein ins Glas, der noch in der Flasche war.
    »Hast du keinen Hunger?«, fragte Tengo. Auf dem Weg zu seiner Wohnung waren die beiden in ein kleines Restaurant am Bahnhof Koenji eingekehrt und hatten Spaghetti gegessen. Aber die Portionen waren nicht groß gewesen, außerdem war seither einige Zeit vergangen. »Ich könnte dir ein Sandwich oder eine andere Kleinigkeit machen.«
    »Nein. Ich würde lieber lesen, was Sie geschrieben haben.«
    »Jetzt gleich?«
    »Ja.«
    Tengo nahm den Kugelschreiber und zwirbelte ihn zwischen den Fingern. Er wirkte sehr klein in seiner großen Hand. »Ich zeige mein Manuskript niemandem, bevor es fertig ist. Das bringt Unglück.«
    »Unglück.«
    »Ein persönlicher Aberglaube.«
    Fukaeri sah ihn einen Moment lang an und raffte den Schlafanzug am Kragen zusammen. »Dann lesen Sie mir etwas anderes vor.«
    »Kannst du dann besser einschlafen?«
    »Ja.«
    »Professor Ebisuno liest dir wohl oft vor?«
    »Der Sensei bleibt immer bis morgens auf.«
    »Hat er dir auch die Geschichte von den Heike vorgelesen?«
    Fukaeri schüttelte den Kopf. »Die habe ich auf Band gehört.«
    »Und alles behalten. Aber das müssen ja viele Kassetten sein, oder?«
    Fukaeri zeigte mit beiden Händen die Menge, die die Kassetten umfassten. »Sehr viele.«
    »Welchen Abschnitt hast du auf der Pressekonferenz zitiert?«
    »Die Flucht des Hogan aus der Hauptstadt.«
    »Die Taira sind geschlagen, aber bei den siegreichen Minamoto bricht eine Fehde aus und Yoshitsune muss, von Yoritomo vertrieben, die Hauptstadt verlassen.«
    »Ja.«
    »Welche Stellen kannst du noch auswendig?«
    »Sagen Sie, was Sie hören möchten.«
    Tengo versuchte sich an eine der zahlreichen Episoden der langen Geschichte von den Heike zu erinnern. »Die Seeschlacht von Dan-no-ura«, sagte er aufs Geratewohl.
    Schon hatten die Krieger der Genji die Schiffe der Heike geentert.
    Seeleute und Ruderer, von Pfeilen durchbohrt und Schwertern erschlagen,
    vermochten das Schiff nicht zu lenken, weil sie unten im Schiffsbauch lagen.
    Tomomori, Neuer Ratsherr der Mitte, stieg in ein Boot und betrat des Kaisers Schiff.
    »Auf dieser Welt scheint nun das Ende nah. Werft sogleich ins Meer, was das Auge beleidigen mag«, rief er. Er eilte von hier nach da, fegte, wischte den Schmutz fort und reinigte das Schiff mit eigener Hand.
    Als die Damen fragten: »Herr Mittlerer Rat, sagt an, wie steht es um die Schlacht?«, rief er und lachte rau: »Die Damen werden die seltene Gelegenheit haben, die Bekanntschaft einiger Männer aus dem Osten zu machen.«
    »Wie könnt Ihr in einem Augenblick wie diesem Euren Spott mit uns treiben!«, riefen die Damen.
    Eine Nonne im zweiten Rang hatte längst ihren Entschluss gefasst. Sie legte sich ihre beiden tiefgrauen Untergewänder über den Kopf, raffte ihren Rock aus Glanzseide zu beiden Seiten, klemmte sich die Gebetskette unter den Arm, gürtete das kostbare heilige Schwert und hob den kleinen Kaiser in ihre Arme.
    »Bin ich auch nur ein Weib, so werde ich dennoch nicht in die Hände

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