1Q84: Buch 1&2
gerichtete Botschaft. Aber ich kann diese Botschaft partout nicht entschlüsseln.
Dennoch rang er sich zu dem eindeutigen Beschluss durch, dass es besser war, alles hinter sich gelassen zu haben, was mit Fukaeri zu tun hatte. Für ihn war es das Beste, sich möglichst von Die Puppe aus Luft , deren Ausgaben sich inzwischen in den Schaufenstern der Buchläden stapelten, von Professor Ebisuno, von dem er nicht wusste, was er dachte, und dieser religiösen Gemeinschaft mit dem gefährlichen Geheimnis fernzuhalten. Auch zu Komatsu wollte er lieber eine gewisse Distanz halten, zumindest für den Moment. Sonst würde er noch mehr in diese ganzen Machenschaften hineingezogen werden. Er würde in eine gefährliche Ecke gedrängt, in der nicht die geringste Logik herrschte, und womöglich in eine ausweglose Situation geraten.
Allerdings wusste Tengo sehr gut, dass es in diesem Stadium nicht mehr so einfach war, sich aus dieser komplizierten Verschwörung zurückzuziehen. Er war ja nicht, wie die Helden von Hitchcock, unwissentlich in eine Intrige verwickelt worden. Er hatte genau gewusst, welches Risiko er einging, und freiwillig mitgemacht. Jetzt hatte der Mechanismus sich in Gang gesetzt, und keine Macht der Welt konnte ihn mehr stoppen. Tengo war jetzt ein Zahnrad in seinem Getriebe. Noch dazu ein Hauptzahnrad. Er konnte das tiefe Stöhnen des Mechanismus hören und die Wucht seines Impulses spüren.
Einige Tage nachdem Die Puppe aus Luft zwei Wochen hintereinander auf Platz eins der Bestsellerliste gestanden hatte, erhielt Tengo einen Anruf von Komatsu. Es war gegen elf Uhr abends. Tengo hatte schon seinen Schlafanzug an und lag im Bett. Er hatte eine Weile auf dem Bauch liegend gelesen und war im Begriff, die Nachttischlampe zu löschen, um zu schlafen. Aus der Art, wie das Telefon klingelte, erriet er, dass es Komatsu war. Es war ihm selbst unerklärlich, aber er erkannte Komatsus Anrufe immer am Klingeln. Wie ein literarischer Text einen Stil hat, so hatten sie ein charakteristisches Klingeln.
Tengo stand auf, tapste in die Küche und hob den Hörer ab. Am liebsten wäre er überhaupt nicht ans Telefon gegangen. Er wollte unbehelligt und in Ruhe schlafen. Und von Iriomote-Katzen, vom Panamakanal, von der Ozonschicht, von Matsuo Basho oder egal von was träumen, Hauptsache, es war möglichst weit entfernt. Aber wenn er jetzt nicht abnahm, würde das Telefon in fünfzehn Minuten oder einer halben Stunde wieder klingeln. Komatsu hatte keinen Sinn für zeitliche Umstände. Er nahm nicht die geringste Rücksicht auf Menschen, die ein normales Leben führten. Deshalb war es ratsamer, ans Telefon zu gehen.
»Na, Tengo, hast du etwa schon geschlafen?«, überfiel ihn Komatsu wie üblich völlig ungerührt.
»Ich war gerade dabei, schlafen zu gehen«, sagte Tengo.
»Entschuldige«, sagte Komatsu ohne das leiseste Bedauern. »Ich wollte dir nur sagen, dass der Verkauf von unserem Püppchen ausgezeichnet läuft.«
»Prima.«
»Es geht weg wie warme Semmeln. Sie kommen gar nicht nach mit der Herstellung, die armen Buchbinder schuften die ganze Nacht. Natürlich war es vorauszusehen, dass wir eine ganze Menge Exemplare verkaufen würden. Der Roman einer siebzehnjährigen jungen Schönen. Sie ist Tagesgespräch. Das trägt auch zum Verkauf bei.«
»Ganz im Unterschied zum Roman eines dreißig Jahre alten bärigen Yobiko-Lehrers.«
»Du sagst es. Andererseits kann man nicht gerade behaupten, dass die Puppe besonders reißerisch ist, oder? Kein Sex, kein Schmalz, der auf die Tränendrüse drückt. Ich kann selbst kaum glauben, dass sie sich so verkauft.«
Komatsu machte eine Pause, anscheinend wartete er auf eine Reaktion. Da Tengo nichts sagte, fuhr er im gleichen Stil fort.
»Außerdem geht es nicht nur um die Verkaufszahlen. Ihr Renommee ist toll. Das ist etwas anderes als diese billigen Sensationsromane, die sonst die jungen Leute schreiben. Jedenfalls ist er inhaltlich ausgezeichnet. Natürlich hat erst deine zuverlässig wunderbare Schreibtechnik das möglich gemacht. Donnerwetter. Das war eine Mordsleistung.«
Möglich gemacht . Komatsus Lob ignorierend, presste Tengo sich die Fingerkuppen gegen die Schläfe. Wenn Komatsu sich in derartigen Lobpreisungen erging, war mit großer Sicherheit eine unangenehme Mitteilung zu erwarten.
»Also, Herr Komatsu, was ist die schlechte Nachricht?«, fragte Tengo.
»Woher weißt du, dass es eine schlechte Nachricht gibt?«
»Wenn Sie mich um diese Zeit anrufen, kann es sich
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