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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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er sich hin und wieder mit gleichaltrigen Mädchen, deren junge Brüste sich deutlich unter der Kleidung abzeichneten. Dieser Anblick raubte Tengo fast den Atem. Dennoch bewegte er vor dem Einschlafen noch immer seine linke Hand in Gedanken an Aomames flache Brust, die nicht einmal den Anflug einer Wölbung hatte. Und fühlte sich dabei zutiefst schuldig. Er war überzeugt, dass mit ihm etwas nicht stimmte und er etwas Abartiges an sich hatte.
    Doch als er auf die Universität kam, dachte er nicht mehr so häufig an Aomame wie früher. Der Hauptgrund dafür war, dass er echte junge Frauen kennenlernte und richtigen Geschlechtsverkehr mit ihnen hatte. Körperlich war er inzwischen ein erwachsener Mann, und das Bild des dünnen zehnjährigen Mädchens in Turnzeug war als Objekt seiner Begierde in einige Distanz gerückt.
    Dennoch versetzte nie wieder ein Mädchen Tengos Inneres so in Aufruhr wie Aomame, als sie damals im Klassenzimmer ihrer Grundschule seine Hand drückte. Keine einzige der Frauen, die er an der Universität oder danach kennenlernte, hatte seinem Herzen ein so nachhaltiges und deutliches Siegel aufgedrückt wie dieses Mädchen. Er konnte partout keine finden, die er wirklich begehrte. Dabei waren einige seiner Freundinnen schöne und auch warmherzige Frauen. Manche liebten ihn sogar wirklich. Aber letzten Endes kamen und gingen sie wie bunte Vögel, die sich auf einem Ast niederließen und bald wieder davonflogen. Sie vermochten Tengo nicht zu geben, was er sich wünschte, und auch er konnte ihnen nicht bieten, was sie sich ersehnten.
    Auch jetzt noch, mit dreißig Jahren, überraschte ihn bisweilen die Erkenntnis, dass in Momenten der Geistesabwesenheit spontan die Gestalt der zehnjährigen Aomame vor ihm auftauchte. Aomame, wie sie damals nach dem Unterricht seine Hand gedrückt und mit ihren klaren Augen geradewegs in die seinen geschaut hatte. Oder er sah ihren mageren Körper in Turnzeug vor sich. Oder sah sie sonntags hinter ihrer Mutter her durch die Einkaufsstraße von Shinagawa huschen. Stets waren ihre Lippen fest aufeinandergepresst und ihr Blick in unbestimmte Ferne gerichtet.
    Anscheinend komme ich überhaupt nicht von diesem Mädchen los, dachte Tengo dann. Und bereute es noch immer, sie auf dem Schulkorridor nicht angesprochen zu haben. Wäre er nicht so ein Feigling gewesen, wäre sein Leben vielleicht ganz anders verlaufen.
    Dass er in diesem speziellen Moment an sie dachte, kam daher, dass er im Supermarkt Edamame kaufte. Als er sich für die grünen Sojabohnen entschied, musste er unwillkürlich an Aomame denken. Mit den Edamame in der Hand blieb er, in seinen Tagtraum versunken, vor dem Regal stehen. Wie lange, wusste er nicht. »Verzeihen Sie.« Eine Frauenstimme brachte ihn wieder zu sich. Er hatte in seiner vollen Größe und Breite das Edamame-Regal blockiert.
    Tengo schreckte auf, entschuldigte sich, legte die Sojabohnen zu seinen anderen Einkäufen – Shrimps, Milch, Tofu und Salat – in den Korb und ging zur Kasse, wo er sich zusammen mit den Hausfrauen aus der Nachbarschaft anstellte und wartete, bis er an der Reihe war. Es machte ihm nichts aus, dass gerade das schlimmste Feierabendgedränge herrschte und sich, weil die Kassiererin noch neu und ungeschickt war, eine lange Schlange gebildet hatte.
    Ob er Aomame gleich erkennen würde, wenn sie in dieser Schlange stünde? Schwer zu sagen. Immerhin hatten sie sich zwanzig Jahre nicht gesehen. Damit war die Möglichkeit, dass sie einander wiedererkannten, eigentlich ziemlich gering. Würde er es wagen, eine Passantin einfach so anzusprechen, wenn er sie für Aomame hielt? Auch davon war er nicht überzeugt. Womöglich würde er beklommen weitergehen, ohne etwas zu unternehmen. Um es danach wieder zutiefst zu bereuen und sich zu fragen, warum er es wieder nicht geschafft hatte, sie anzusprechen.
    »Was dir fehlt, mein lieber Tengo, ist Ehrgeiz und Entschlossenheit«, sagte Komatsu immer, und sicher hatte er recht damit. Ist ja auch egal, dachte Tengo und gab sofort auf, sobald er sich überfordert fühlte. Das lag eben in seinem Charakter.
    Falls sie sich aber zufällig irgendwo begegneten und das Schicksal wollte es, dass sie einander erkannten, würde er Aomame alles offen und ehrlich anvertrauen. Sie würden in ein Café in der Nähe gehen (sofern sie Zeit hätte und seine Einladung annehmen würde), einander gegenübersitzen und etwas trinken.
    Tengo hätte Aomame so vieles zu erzählen gehabt. »Ich weiß noch genau, wie

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