Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
gerade gelten. Allein schon wie sie hier im Bett lagen und sich umarmten, war alles andere als passend. Der Gedanke machte Tengo nervös. Er drängte ihn beiseite und stellte sich vor, wie sie sich in der Arche Noah mit Sonny und Cher und dem Pythonpärchen anfreundeten. Diese an sich völlig sinnlosen Phantasien halfen ihm, seine körperliche Anspannung ein wenig zu mildern.
    Fukaeri lag stumm und reglos in seinem Arm. Sie sprach nicht. Auch Tengo sagte nichts. Ungeachtet ihrer engen Umarmung verspürte er kein Verlangen. Sexualität war für ihn letzten Endes ein verlängertes Mittel der Kommunikation. Ohne die Möglichkeit zur Kommunikation empfand er kein sexuelles Verlangen, und so war es auch ziemlich verständlich, dass er kein Verlangen nach Fukaeri verspürte. Tengo sehnte sich nach etwas anderem – doch was das war, wusste er nicht genau.
    Natürlich war es keineswegs unangenehm, eine so wunderschöne, siebzehnjährige junge Frau im Arm zu halten. Hin und wieder berührte ihr Ohr seine Wange. Ihr warmer Atem streifte seinen Hals. Ihre Brüste waren im Verhältnis zu ihrem schlanken Körper beinahe erstaunlich groß und fest. Er spürte ihre kompakte Rundung unmittelbar oberhalb seines Magens. Von ihrer Haut ging ein betörender Duft aus. Es war der besondere, lebendige Duft, den nur ein im Wachstum begriffener Körper verströmt. Ein Duft von mit morgendlichem Tau benetzten, voll erblühten Sommerblumen. In seiner Grundschulzeit hatte er ihn häufig am Wegesrand gerochen, wenn er früh am Morgen zur Radiogymnastik ging.
    Ich sollte jetzt besser keine Erektion bekommen, dachte Tengo. So wie sie lagen, würde Fukaeri es sofort merken. Das konnte ihn in eine unangenehme Situation bringen. Mit welchen Worten sollte er einem siebzehnjährigen Mädchen erklären, dass ein Mann hin und wieder Erektionen hatte, selbst wenn er nicht direkt von Begierde überwältigt war? Aber glücklicherweise hatte er im Augenblick noch keine. Es kündigte sich auch keine an. Der Gedanke an den Geruch der Sommerblumen hielt sie auf. Ich muss an Dinge denken, die nichts mit Sex zu tun haben, dachte Tengo.
    Wieder malte er sich kurzzeitig die Begegnung von Sonny und Cher mit dem Pythonpärchen aus. Ob sie gemeinsame Themen hätten? Und wenn ja, welche? Vielleicht Gesang? Als seine Einbildungskraft hinsichtlich der Arche im Sturm erschöpft war, ging er zum Multiplizieren dreistelliger Zahlen über. Das hatte er beim Sex mit seiner älteren Freundin häufig getan, um den Zeitpunkt seiner Ejakulation hinauszuzögern. (Was das anbelangte, war sie äußerst strikt.) Tengo wusste nicht, ob und wie lange er mit dieser Methode auch bei der Unterdrückung einer Erektion Erfolg haben würde. Aber es war besser, als gar nichts zu unternehmen. Er musste etwas tun.
    »Es macht nichts, wenn er steif wird«, sagte Fukaeri, als habe sie ihn durchschaut.
    »Es macht nichts?«
    »Das ist nichts Schlimmes.«
    »Nichts Schlimmes«, wiederholte Tengo ihre Worte. Sie spricht wie eine Grundschülerin, die gerade Sexualkunde hatte, dachte er. Ihr braucht euch nicht zu schämen, wenn ihr eine Erektion bekommt, das ist nichts Schlimmes. Aber natürlich ist nicht jeder Zeitpunkt und jede Gelegenheit richtig, ihr müsst schon unterscheiden.
    »Hat die Reinigung schon begonnen?«, fragte Tengo, um das Thema zu wechseln.
    Fukaeri antwortete nicht. Ihre hübschen kleinen Ohren schienen noch immer bemüht, dem Krachen des Donners etwas abzulauschen. Also beschloss er, nichts mehr zu sagen. Er stellte das Multiplizieren von dreistelligen Zahlen mit dreistelligen Zahlen ein. Wenn es Fukaeri nichts ausmacht, dass ich hart werde, dann kann ich ja ruhig, dachte er. Nichtsdestoweniger machte sein Penis keinerlei Anstalten, sich aufzurichten. Im Moment lag er schlaff in einem friedlichen tiefen Schlummer.
    »Ich mag deinen Schwanz«, hatte seine ältere Freundin gesagt. »Seine Form, seine Farbe und auch die Größe.«
    »Mir gefällt er nicht so besonders«, sagte Tengo.
    »Warum denn nicht?«, fragte sie, während sie seinen nicht erigierten Penis wie ein schlafendes Haustier auf ihrer Handfläche wiegte.
    »Ich weiß nicht«, sagte Tengo. »Vielleicht weil ich ihn mir nicht selbst ausgesucht habe.«
    »Du bist ein merkwürdiger Mensch«, sagte sie. »Mit merkwürdigen Gedanken.«
    Das war vor undenklichen Zeiten gewesen. Ein Ereignis, das ihm so fern erschien wie Noahs Sintflut. In etwa.
    Fukaeris warmer Atem berührte in einem regelmäßigen Rhythmus Tengos Hals. Im

Weitere Kostenlose Bücher