1Q84: Buch 1&2
umschreiben würde? Ohne dein Einverständnis und deine Mitarbeit ginge das nicht, ganz gleich, wie entschlossen ich wäre.«
Fukaeri griff mit den Fingern nach einer Cherrytomate und steckte sie sich in den Mund. Tengo verzehrte die Miesmuschel, die er mit der Gabel aufgespießt hatte.
»Machen Sie nur«, sagte Fukaeri leichthin und nahm noch eine Tomate. »Sie können alles verbessern, was Sie wollen.«
»Wäre es nicht besser, wenn du dir noch etwas Zeit zum Nachdenken lassen würdest? Immerhin ist das eine ziemlich wichtige Angelegenheit«, sagte Tengo.
Fukaeri schüttelte den Kopf. Nicht nötig.
»Falls ich dein Werk bearbeite«, erklärte Tengo, »werde ich darauf achten, die Geschichte nicht zu verändern und nur den Stil zu verbessern. Trotzdem muss ich wahrscheinlich ziemlich stark eingreifen. Aber die Autorin bist und bleibst du. Der Roman stammt von einem siebzehnjährigen Mädchen namens Fukaeri. Daran ist nicht zu rütteln. Falls der Roman den Preis bekommt, bist du die Preisträgerin. Du allein. Wenn ein Buch daraus wird, bist du allein die Verfasserin. Wir werden ein Team bilden, das aus uns dreien besteht, dir und mir sowie Herrn Komatsu, dem Redakteur. Aber nur dein Name wird erscheinen. Wir anderen beiden bleiben völlig im Hintergrund. Wie eine Art Bühnenarbeiter. Verstehst du, was ich sage?«
Fukaeri schob sich mit der Gabel ein Stück Sellerie in den Mund. Sie nickte leicht. »Ich verstehe.«
»Die Geschichte von der ›Puppe aus Luft‹ bleibt deine. Du hast sie geschaffen. Es ist unmöglich, dass ich sie zu meiner mache. Im Grunde gebe ich dir nur technische Hilfestellung. Das musst du aber unter allen Umständen für dich behalten. Letztendlich ist das eine Verschwörung, um den Rest der Welt zu täuschen. Was immer man davon halten mag, man kann es nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es muss für immer ein Geheimnis bleiben.«
»Ja, dann«, sagte Fukaeri.
Tengo legte seine Miesmuschelschale an den Rand des Tellers und war im Begriff, sich den Linguini zu widmen, als er es sich anders überlegte und innehielt. Fukaeri nahm ein Stück Gurke und kaute es so gründlich, als würde sie eine unbekannte Delikatesse ausprobieren.
»Ich frage dich nochmals«, sagte Tengo, die Gabel in der Hand. »Hast du keine Einwände, dass ich die von dir geschriebene Geschichte bearbeite?«
»Machen Sie ruhig, was Ihnen gefällt«, sagte Fukaeri, nachdem sie mit der Gurke fertig war.
»Es macht dir also nichts aus, ganz gleich, welche Änderungen ich an deinem Text vornehme?«
»Genau.«
»Wie kannst du so denken? Wo du doch gar nichts über mich weißt.«
Fukaeri zuckte wortlos mit den Schultern.
Eine Weile aßen die beiden schweigend. Fukaeri konzentrierte sich ganz auf ihren Salat. Ab und zu bestrich sie ein Brötchen mit Butter und biss hinein oder streckte die Hand nach dem Weinglas aus. Tengo beförderte mechanisch die Linguini in seinen Mund, während er sich die verschiedenen Möglichkeiten durch den Kopf gehen ließ.
Dann legte er die Gabel beiseite. »Als Herr Komatsu mir den Plan zum ersten Mal erklärte, hielt ich das für Quatsch. Das soll wohl ein Witz sein, dachte ich. So etwas kann man doch nicht machen. Ich hatte fest vor, abzulehnen. Aber als ich zu Hause war und über seinen Vorschlag nachdachte, wurde der Wunsch, es zu versuchen, allmählich immer stärker. Ich bekam Lust, ob es nun moralisch richtig ist oder nicht, der Geschichte von der ›Puppe aus Luft‹ eine neue Gestalt zu verleihen. Es war, wie soll ich sagen, ein sehr natürlicher und spontaner Wunsch.«
»Verlangen« kommt der Sache vermutlich näher, fügte Tengo im Geiste hinzu. Genau wie Komatsu es vorausgesagt hatte. Und mittlerweile fiel es ihm immer schwerer, dieses Verlangen zu beherrschen.
Wortlos und unverwandt schaute Fukaeri ihn aus der Tiefe ihrer schönen, gleichmütigen Augen an. Sie schien Mühe zu haben, die Worte zu begreifen, die aus Tengos Mund kamen.
»Sie wollen daran arbeiten«, fragte sie.
Tengo blickte ihr fest in die Augen. »Ich glaube schon.«
Fukaeris schwarze Augen leuchteten auf, als würde sich etwas darin spiegeln. Wenigstens kam es ihm so vor.
Tengo hob beide Hände, sodass es aussah, als halte er eine imaginäre Schachtel in die Luft. Eine ziemlich sinnlose Geste, aber er brauchte dieses solchermaßen Imaginäre als Medium, um seine Gefühle zu übermitteln.
»Ich kann es nicht gut ausdrücken, aber nachdem ich ›Die Puppe aus Luft‹ mehrmals gelesen hatte, bekam ich das
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