Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
Gefühl, sehen zu können, was du siehst. Vor allem die Stellen, an denen die ›Little People‹ vorkommen. Du hast wirklich eine außergewöhnliche Phantasie. Sie ist originell und ansteckend.«
    Fukaeri legte ihre Gabel bedachtsam auf dem Teller ab und wischte sich mit der Serviette den Mund ab.
    »Die Little People gibt es wirklich«, sagte sie leise.
    »Es gibt sie wirklich?«
    Fukaeri schwieg einen Moment. »Sie sind wie Sie und ich«, sagte sie dann.
    »Wie du und ich«, wiederholte Tengo.
    »Wenn Sie wollen, können auch Sie sie sehen.«
    Fukaeris schlichte Sprache hatte eine seltsame Überzeugungskraft. Die einzelnen Worte kamen aus ihrem Mund, als würden Keile in genau der richtigen Größe in passende Lücken getrieben. Dennoch konnte Tengo noch nicht beurteilen, inwieweit das Mädchen Fukaeri aufrichtig war. Diese junge Frau fiel aus dem Rahmen, sie hatte etwas Außergewöhnliches an sich. Vielleicht lag das an ihrer natürlichen Begabung. Womöglich hatte er in diesem Augenblick ein lebendiges echtes Talent vor sich. Oder aber sie verstellte sich nur. Intelligente Teenager schauspielerten manchmal beinahe instinktiv. Es kam durchaus vor, dass sie sich exzentrisch stellten . Und es wirklich schafften, ihr Gegenüber mit ihren Andeutungen zu verwirren. Er hatte das mehrmals erlebt. Mitunter war es schwer, echtes von gespieltem Verhalten zu unterscheiden. Tengo beschloss, in die Wirklichkeit zurückzukehren. Oder zumindest in die Nähe der Wirklichkeit.
    »Wenn es dir recht ist, möchte ich morgen mit meiner Überarbeitung von ›Die Puppe aus Luft‹ anfangen.«
    »Wenn Sie wollen.«
    »Ja, das will ich«, antwortete Tengo schlicht.
    »Ich möchte, dass Sie jemanden kennenlernen«, sagte Fukaeri.
    »Einverstanden«, sagte Tengo.
    Fukaeri nickte.
    »Wer ist es?«, fragte Tengo.
    Die Frage wurde nicht zur Kenntnis genommen. »Sie werden mit dieser Person sprechen«, sagte sie.
    »Wenn es notwendig ist, soll es mir recht sein«, sagte Tengo.
    »Sonntagvormittag haben Sie frei«, fragte sie intonationslos.
    »Ja«, antwortete Tengo. Wir kommunizieren wie durch Flaggensignale, dachte er.
    Nach dem Essen trennten sich Tengo und Fukaeri. Tengo warf mehrere Zehn-Yen-Münzen in das rosafarbene Telefon im Lokal und rief Komatsu an. Er war noch im Büro, aber es dauerte, bis er an den Apparat kam. Währenddessen hielt sich Tengo den Hörer ans Ohr und wartete.
    »Wie war’s? Alles glattgegangen?«, fragte Komatsu als Erstes.
    »Fukaeri ist damit einverstanden, dass ich ›Die Puppe aus Luft‹ überarbeite. Wahrscheinlich hatten Sie es sich schon gedacht.«
    »Ist das nicht großartig?«, sagte Komatsu. Seine Stimme klang aufgeräumt. »Wunderbar. Ehrlich gesagt war ich beunruhigt. Solche Verhandlungen zu führen entspricht nicht gerade deiner Persönlichkeit.«
    »Direkt verhandelt habe ich ja auch nicht«, sagte Tengo. »Und überreden musste ich sie auch nicht. Ich habe ihr in groben Zügen erklärt, worum es geht, und dann hat sie quasi selbst entschieden.«
    »Egal. An diesem Ergebnis gibt es nichts auszusetzen. Jetzt können wir mit unserem Plan fortfahren.«
    »Davor muss ich mich noch mit jemandem treffen.«
    »Mit wem denn?«
    »Ich weiß nicht, wer es ist. Jedenfalls möchte Fukaeri, dass ich mich mit dieser Person treffe und mit ihr spreche.«
    Komatsu schwieg einige Sekunden. »Und wann?«
    »Am Sonntag. Sie wird mich zu ihr bringen.«
    »Geheimhaltung ist unser erstes und wichtigstes Gebot«, erklärte Komatsu in ernstem Ton. »Es wäre gut, wenn wir die Zahl der Leute, die das Geheimnis kennen, möglichst gering halten könnten. Im Augenblick wissen auf der ganzen Welt nur drei Leute von unserem Plan. Du, ich und Fukaeri. Das sollte möglichst so bleiben. Verstehst du?«
    »Theoretisch ja«, sagte Tengo.
    Komatsus Stimme wurde wieder weicher. »Wie dem auch sei – Hauptsache, Fukaeri ist einverstanden, dass du das Manuskript redigierst. Alles Weitere wird sich finden.«
    Tengo wechselte den Hörer in die linke Hand und presste den rechten Zeigefinger nachdenklich gegen die Schläfe.
    »Wissen Sie, Herr Komatsu, ich bin irgendwie unsicher. Es gibt keinen eindeutigen Grund dafür, aber momentan habe ich das Gefühl, dass wir im Begriff sind, in etwas ganz Ungewöhnliches verwickelt zu werden. Als ich diesem Mädchen gegenübersaß, habe ich es nicht so deutlich gespürt, aber seit ich mich von ihr verabschiedet habe und wieder für mich bin, hat dieses Gefühl sich zunehmend verstärkt. Man könnte es

Weitere Kostenlose Bücher