Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
in die Wohnung und schaltete das Heizgerät ein. Kaum hatte er den Schalter betätigt, begann der Ofen orange zu glühen, und Ushikawa verspürte eine angenehme Wärme auf der Haut. Natürlich beheizte das Gerät das Zimmer nicht ausreichend, aber es war doch etwas ganz anderes, als ganz ohne Heizung zu leben. Ushikawa setzte sich auf die Tatami, lehnte sich an die Wand und verschränkte locker die Arme. Er fiel in einen kurzen, traumlosen, ganz und gar leeren Schlaf.
    Ein scharfes Klopfen beendete diesen glücklichen Zustand. Als Ushikawa aufschreckte und sich umsah, wusste er einen Augenblick lang nicht, wo er sich befand. Dann fiel sein Blick auf das Stativ mit der Minolta-Spiegelreflexkamera neben ihm, und ihm wurde bewusst, dass er sich in dem Haus in Koenji befand, in dem Tengo wohnte. Jemand schlug mit der Faust gegen die Wohnungstür. Ushikawa kam rasch zu sich und wunderte sich, warum geklopft wurde, wo es doch an der Tür eine Klingel gab, die man nur zu drücken brauchte, ganz einfach. Trotzdem machte jemand sich die Mühe zu klopfen. Und auch noch so laut. Stirnrunzelnd sah Ushikawa auf seine Uhr. Viertel vor zwei. Viertel vor zwei am Tag natürlich, es war hell draußen.
    Ushikawa reagierte selbstverständlich nicht auf das Klopfen. Niemand wusste, dass er hier war. Er erwartete keinen Besuch. Wahrscheinlich war es ein Vertreter oder ein Zeitungsverkäufer oder so was. Er mochte vielleicht etwas von Ushikawa wollen, aber Ushikawa wollte sicher nichts von ihm. Grimmig und stumm blickte er von seinem Platz an der Wand zur Tür. Irgendwann würde der Kerl schon aufgeben und verschwinden.
    Aber der andere gab nicht auf und klopfte in gewissen Abständen immer wieder. Eine Reihe von Klopfern ertönte, dann machte er zehn oder fünfzehn Sekunden Pause, und dann ging es weiter. Es war kein zaghaftes, sondern ein sehr resolutes, fast unnatürlich einförmiges Klopfen. Hartnäckig und fordernd. Ushikawa wurde allmählich unruhig. Womöglich stand Eriko Fukada vor der Tür, um ihn wegen der aus dem Hinterhalt gemachten Fotos zur Rechenschaft zu ziehen. Bei diesem Gedanken schlug sein Herz schneller. Er fuhr sich mit seiner dicken Zunge rasch über die Lippen. Aber was er hörte, klang doch eher, als würde ein erwachsener Mann mit der Faust gegen die Stahltür schlagen. Das war nicht die Hand eines jungen Mädchens.
    Oder Eriko Fukada hatte jemandem von Ushikawas Umtrieben berichtet, und der stand nun vor seiner Tür. Zum Beispiel der Mann vom Maklerbüro oder ein Polizist. In dem Fall könnte es unangenehm für ihn werden. Aber der Makler hatte einen Ersatzschlüssel, und ein Polizist hätte sich doch als solcher zu erkennen gegeben. Außerdem würde er nicht klopfen, sondern klingeln. »Herr Kozu«, rief eine Männerstimme. »Herr Kozu!«
    Ushikawa erinnerte sich, dass Kozu der Name des Vormieters war. Er hatte das Namensschild am Briefkasten gelassen, denn das war günstiger für ihn. Der Mann vor der Tür dachte, dieser Kozu würde noch hier wohnen.
    »Herr Kozu!«, rief die Stimme. »Ich weiß, dass Sie da sind. Es ist nicht gesund, sich ständig in der Wohnung zu verbarrikadieren und den Atem anzuhalten, wie Sie es tun!«
    Die Stimme gehörte einem Mann mittleren Alters. Sie war nicht sehr laut und ein bisschen heiser. Aber sie hatte eine Art harten Kern. Hart wie ein sorgfältig getrockneter und fest gebrannter Ziegelstein. Deshalb besaß sie eine so starke Resonanz, dass sie durchs ganze Haus schallte.
    »Herr Kozu, ich komme von NHK , um die monatlichen Rundfunkgebühren einzusammeln. Machen Sie also bitte auf.«
    Ushikawa hatte natürlich nicht die Absicht, irgendwelche Gebühren zu zahlen. Unter normalen Umständen wäre die Sache schnell erledigt gewesen. Er hätte dem Kassierer die Wohnung zeigen können: Hier, überzeugen Sie sich selbst, nirgendwo ein Fernseher. Aber ein Mann von Ushikawas ungewöhnlicher Erscheinung, der sich in einer völlig unmöblierten Wohnung verschanzte, würde natürlich Argwohn erregen.
    »Herr Kozu, es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass jeder, der ein Fernsehgerät besitzt, Gebühren zahlen muss. Viele sagen: ›Ich sehe kein NHK , deshalb zahle ich auch nicht.‹ Aber das lassen wir nicht gelten. Wer einen Fernsehapparat besitzt, der muss Gebühren zahlen, ob er NHK nun sehen will oder nicht.«
    Lass ihn reden, dachte Ushikawa. Wenn er keine Antwort bekommt, zieht er schon irgendwann ab. Aber wie konnte der Mann so sicher sein, dass sich in dieser Wohnung jemand

Weitere Kostenlose Bücher