1WTC
immerhin hat er die ganze Idee in die Welt gesetzt, auch wenn er inzwischen nicht mehr glaubt, dass sein Verhörzentrum funktionieren wird. Zumindest hofft er, dass es scheitert.
Keine zwei Stunden, nachdem Sunner gegangen ist, steht der Büroleiter von SOM in der Tür. »Kann ich reinkommen?«
»Ja, natürlich. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe hier einen Brief vom Heimatschutzministerium. Neue Bestimmungen für die Gebäudesicherheit. Wir müssen das jetzt umsetzen. Das Ministerium wird uns dabei beraten. Es gibt neue Zugangsregeln, aber das ist alles streng vertraulich. Selbst ich weiß jetzt nicht mehr, wer welche Informationen hat und wer welche Pläne kennt. Auch die Tür«, der Büroleiter zeigt auf die Tür, die von Toms Büro in den Tresorraum führt, »kriegt ein neues Sicherheitsschloss. Keine Ahnung, ob Sie einen Schlüssel bekommen oder nicht.« Er zuckt ratlos mit den Schultern. »Ich hoffe, das ist für Sie in Ordnung. Aber es geht ja um unsere Sicherheit. Wenn wir nicht wissen, wer welche Informationen hat, kann man es nicht …« – er sucht nach der richtigen Beschreibung – » … dann kann man es nicht aus uns herausfoltern.«
Der Büroleiter schluckt, eigentlich wollte er den Begriff Folter vermeiden. Aber so hatte sich der Mann vom Heimatschutzministerium nun mal ausgedrückt.
»Es gibt da eben die Befürchtung, dass Mitarbeiter entführt und dann ausgehorcht werden. Entschuldigen Sie, ich will Sie nicht verunsichern, aber das 1 WTC ist für die innere Sicherheit ein wichtiges Projekt.«
»Ist schon okay.«
Der Büroleiter lächelt Tom verunsichert an. »Wem erzähle ich das. Sie kennen sich mit diesen Dingen ja besser aus als ich.« Er deutet einen Gruß an, wendet sich zum Gehen, hält inne. »Ach, noch was.«
»Ja?« Tom ist auf das Schlimmste gefasst. Immerhin zieht Sunner im Hintergrund die Fäden, krempelt die Organisation des Büros um, schafft Freiraum für die Planung des Verhörparadieses.
»Wir haben für die Ausführung der Sicherheitsbereiche in den Kellergeschossen ein neues Bauunternehmen engagiert.«
»Aha.« Tom ist erleichtert. »Wer ist denn der Ansprechpartner?«
»Weiß ich nicht. Er wird sich direkt bei Ihnen melden. Ich habe ihm Ihre Nummer gegeben.«
»Gut. Dann gebe ich Ihnen Bescheid, sobald die sich melden.«
»Außerdem brauchen wir einen neuen Personensicherheitsraum. Können Sie das irgendwie mit dem Serverraum zusammenbringen?« Der Büroleiter ist plötzlich in Eile. »Also, wenn es Ihrerseits sonst keine Fragen gibt …«
Tom hat noch Fragen, aber die wird sein Chef nicht beantworten können. Wahrscheinlich weiß er gar nichts von Sunners Plänen.
»Nein, alles klar. Aber wenn mir noch was einfällt, ruf ich an. Sehen wir uns in der Mittagspause?«
Der Büroleiter lächelt und nickt Tom zu. »Ja, bis später.«
Tom wendet sich wieder der Zeichnung auf seinem Bildschirm zu. Welches Bauunternehmen seine Planung ausführt, ist ihm ziemlich egal. Obwohl … Er schnellt hoch, dem Büroleiter hinterher. Der ist gerade am Ende des Flurs angelangt.
»Welches Bauunternehmen ist es denn?«
Der Büroleiter dreht sich um: »Ach ja, stimmt. Construction Works International.«
Also doch. Mit Construction Works hat Tom schon im Irak zusammengearbeitet. Ein Unternehmen im Dunstkreis der Sicherheitsfirma Xe, besser bekannt unter ihrem vormaligen Namen Blackwater. Sicherheitsarchitekturen, Bunker, Gefängnisanlagen. Der ideale Partner für den Bau des Verhörparadieses, skrupellos und hocheffizient.
Sunner hat sich ein perfektes System ausgedacht. Lückenlose Tarnung. Ein Architekt, der direkt bei SOM sitzt. Dieselbe Baufirma wie im Irak. Und jetzt auch noch das neue Sicherheitssystem. Keine Spuren.
Tom schüttelt fassungslos den Kopf. Das Highlight des alten World Trade Centers war das Restaurant Windows on the World. Jennifer hat den Ort gemocht. Und ausgerechnet im Keller des Nachfolgebaus soll er ein Foltergefängnis bauen, das sich als Paradies tarnt? Folter statt Fenster auf die Welt. Kein Wunder, dass sie nichts von ihm wissen wollte.
Für Sunner kommt es auf ein paar Tote mehr oder weniger nicht an. Mit dem Paradies werden weitere Leichen dazukommen, denn jeder, der die Verhöreinrichtung im Keller des 1 WTC betritt, wird sterben. Das Paradies ist eine Todeszelle, das Tor zur Hölle. Und für Sunner hat das etwas mit Freiheit zu tun.
Halbtotale. Das Hinterzimmer, der Tisch, die drei Männer.
Die Kamera zoomt heran.
Detailaufnahme
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