1WTC
warum unbedingt zweiundsiebzig Prostituierte in dem Folterzentrum arbeiten müssen, dass die CIA diese in Verhörtechniken schulen solle und dass sichergestellt werden müsse, dass es sich auch wirklich um hervorragende Bauchtänzerinnen handelt. Eine Liste mit Möbeln und Ausstattungsgegenständen, die Sunner baldmöglichst für eine Bemusterung bestellen soll, fügt er auch bei: ein Whirlpool, roter Samt, Kissen und Teppiche, Milch, Honig und Wein, Seide.
Halbtotale. Die Bar, der Tisch, die drei Männer sind über einen Stapel Zeichnungen gebeugt.
Detailaufnahme Sunner.
Sunner: »Also, das sind die Pläne. Es ist ein richtiges Kunstwerk geworden. Von uns aus kann es losgehen. Unser Architekt macht jetzt Detailentwürfe für die Einrichtung und stellt schon ein paar Möbel in die Räume, damit wir uns das besser vorstellen können. Die medizinische Abteilung hat sich dazu einiges ausgedacht, oder Laporta?«
Laporta: »Oh ja. Wenn die Zielperson aus der Narkose erwacht, wird sie sich wie neugeboren fühlen, oder wie gerade vom Tode auferstanden. Aber an die Hölle, die sie durchgemacht hat, wird sie sich noch erinnern. Wir haben in einer Versuchsreihe die Wechselwirkungen zwischen Waterboarding, Elektroschocks und Narkotika verfeinert. Malariamedikamente wie Mefloquin haben sehr interessante Nebenwirkungen: Angst, Psychosen, Depressionen. Aber wir haben auch noch andere Sachen in petto. Schließlich konnten wir in Guantanamo so einiges ausprobieren. Anschließend gibt es zur Wiederherstellung Lichttherapie, musikalische Tiefenbeschallung und olfaktorische Manipulation.«
Sunner: »Im Stockwerk unter dem Raum mit den klassischen Verhörinstrumenten befindet sich der Aufwachraum. Es sieht aus wie in einem arabischen Hamam, die Wände und Böden sind mit wunderschönen Kacheln verkleidet, von der Decke hängen Kronleuchter, und die kleinen Alkoven sind mit seidenen Kissen ausgelegt. Es gibt arabische Musik, und vor allem gibt es viele Wasserbecken, kleine Whirlpools sind in den Boden eingelassen. Und in den Pools, was gibt es da wohl?«
Halbtotale. Die Männer lächeln wissend.
Sunner: »Genau. Frauen. Über siebzig Jungfrauen. Wie sie es von ihren Muftis versprochen bekommen haben. Und Bauchtänzerinnen, mit Schmuck, der auf der nackten Haut klimpert. Da stehen die doch drauf.«
Die drei Männer lachen.
Sunner: »Die Frauen sind Profis von der CIA. Das sind die Besten.«
Sunner zeigt die Zeichnungen und Collagen.
Im Pool schwimmen zwei nackte Frauen und küssen sich. Am Beckenrand sitzt eine Frau, die Beine gespreizt, sie befriedigt sich selbst. Vor einer Tür kniet eine Frau vor einem bärtigen Mann, seinen Schwanz im Mund.
Die Männer reichen einander die Bilder und schmunzeln.
Blende.
4.
»Darf man nur bauen, was dank seines herausragenden Charakters auch wert wäre, zerstört zu werden?«
Jean Baudrillard, 28. Januar 2002
Mikael ist auf dem Weg zum Flughafen, um Syana abzuholen. In den letzten Wochen hat er viel Zeit mit Jennifer verbracht und New York erkundet. Die Stadt kennt er jetzt fast wie seine Westentasche. Für die verschiedenen Szenen des Films hat er ein detailliertes Drehbuch geschrieben. Weil er ohne Syana nicht mit den Dreharbeiten beginnen konnte, reiste er in den Süden der USA. Erst nach Texas, um sich in Marfa die Chinati Foundation anzusehen, dann an die mexikanische Grenze. Dort informierte er sich über den Grenzzaun und die dort eingesetzte Überwachungstechnik: Nachtsichtgeräte, Wärmekameras, das ganze Arsenal des Grenzschutzes.
Am Fenster der U-Bahn ziehen Einfamilienhäuser vorbei, dann ein großer Friedhof. Noch fünf Stationen.
Hat er Syana vermisst? Ist er in sie verliebt? Eine kluge und sehr schöne Frau. Aber verliebt? Nein.
Jamaica Station. Umsteigen in den Airtrain. Wieder warten.
Und Jennifer? Da würde verliebt eher passen, aber das mit Syana, das ist was anderes. Mikael stellt sie sich vor, wie sie redet, verführerisch lächelt, näherkommt. Er kriegt Lust, wenn er nur an sie denkt. Es ist nicht nur ihre Schönheit. Syana hat etwas Geheimnisvolles, das ihn erregt, ihm aber auch Angst macht. Eigentlich weiß er immer noch so gut wie gar nichts über sie. Privates, Berufliches, das aktuelle Projekt, alles bleibt im Ungefähren. Irgendetwas verbirgt sie vor ihm, und das zieht ihn an.
Der Airtrain erreicht Terminal 3, Mikael steigt aus. Wieder eine Überführung, ein schmaler Fußweg entlang der Straße, dann der Eingang des Delta-Terminals. Syanas Flug hat
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