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1WTC

1WTC

Titel: 1WTC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich von Borries
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Hüften. Sie dreht sich um, läuft so nah wie möglich auf die Kamera zu. Man erkennt, dass sie die Wimpern getuscht hat und Lippenstift trägt.
    Jennifer flüstert: »Show you are not afraid.«
    Jennifer entfernt sich wieder von der Kamera, bleibt noch einmal an der gleichen Stelle stehen wie zu Beginn der Szene. Stellt nochmals ihre Hüfte aus.
    Dann geht sie weiter, bis sie aus dem Bild verschwindet, kommt dann jedoch plötzlich seitlich ins Bild gerannt, bleibt einen Meter vor der Kamera stehen.
    Jennifer schreit: »Go shopping! Go shopping! Go shopping!«
    Sie geht wieder aus dem Bild.
    Blende.
    Mikael öffnet die Beifahrertür und setzt sich neben Syana. Sie sehen sich den ersten Take auf dem Laptop an. Syana ist zufrieden. Das Bild ist gut, die Tonqualität auch. Mikael ist begeistert. Genau so hat er sich Jennifer vorgestellt. Ihr Auftritt erinnert ihn an die Bilder von Gudrun Ensslin, die er aus seiner Kindheit kennt. Schön, unschuldig. Wie ein Engel. Und dann doch Gewalt, Aggression, Hass.
    Die zweite Szene spielt vor dem Haupteingang des UN-Gebäudes, des Ortes, wo die UN-Versammlung über Hilfsleistungen und Sanktionen debattiert und der Sicherheitsrat Resolutionen zu militärischen Interventionen verabschiedet. Syana startet den Wagen und fährt zu einem Parkplatz, der gerade noch im Sendebereich des UN-Funknetzes liegt.
    Jennifer läuft vor dem Wärterhäuschen auf und ab, wartet auf Mikaels Anweisung. Am liebsten würde Mikael schon dieses Auf- und Ablaufen filmen, aber Syana findet keine stabile Netzwerkverbindung.
    »Ich komme nicht rein. Immer wenn ich eine der Kameras kriege, fängt das Bild an zu ruckeln und ich fliege wieder raus. Scheiße.«
    »Hey, jetzt gib nicht auf. Vorhin hat’s doch auch geklappt.«
    Syana wirft Mikael einen genervten Blick zu. »Wenn wir hierbleiben, ärgere ich mich nur. Wir müssen das verschieben. Was für Orte hast du hier in der Gegend denn noch so auf deiner Liste?«
    »Ne, lass uns lieber einen Weg finden, wie wir doch noch an die Kameras rankommen.« Er zeigt auf die vier Kameras, die den Eingangsbereich des UN-Gebäudes überwachen. »Vier Perspektiven. Ich sehe die Szene schon genau vor mir, die brauchen wir unbedingt.«
    Syana lenkt ein. »Auch gut. Wenn du nett zu mir bist, schaffe ich das vielleicht schon bis morgen.« Sie lächelt Mikael vielsagend an. »Was machst du heute Abend?«
    Eigentlich ist er mit Jennifer verabredet. »Weiß ich noch nicht. Vielleicht mit Jennifer die nächsten Szenen durchgehen. Ich melde mich, okay?«
    Syana blickt Mikael ausdruckslos an. Er wartet noch zwei Sekunden auf eine Reaktion, aber Syana verzieht keine Miene.
    »Aber auf jeden Fall morgen zum Frühstück, einverstanden?«, fragt er vorsichtig.
    »Gut. Vielleicht bis später, ich melde mich, falls ich was herausfinde«, antwortet Syana. Sie zieht Mikaels Kopf zu sich heran und küsst ihn schnell auf die geschlossenen Lippen. »Pass auf«, ruft sie ihm hinterher, als er aus dem Auto steigt.
    Jennifer läuft noch immer vor dem Eingang auf und ab.
    »Wir können die Szene heute nicht machen. Syana kommt nicht an die Kameradaten ran.«
    »Schade, gerade hat es angefangen, richtig Spaß zu machen.«
    »Ja, du warst großartig. Wie du in die Kamera geschrien hast – Wahnsinn.«
    »Danke.« Jennifer hakt sich bei Mikael unter. »Wer ist eigentlich Syana?«
    »Eine Freundin.«
    »Was für eine Freundin?«
    Jennifer schaut ihn fragend an, entscheidet sich dann aber, nicht weiter zu bohren. Besser, er sagt nichts, als Dinge, die sie nicht hören will.
    »Wollen wir was essen gehen?«, fragt Mikael. »Oder hast du heute noch was vor?«
    Jennifer tut so, als müsste sie überlegen.
    »Ne, nichts«, sagt sie und lächelt Mikael an.
    Mikael und Jennifer sitzen im Bakeri, einem kleinen Café in der Whyte Avenue. Französische Pâtisserie, im Innenhof plätschert eine Fontäne.
    »Ich habe bei dem Projekt nur vor einer Sache Angst«, beginnt Jennifer.
    »Wovor denn? Keine Angst haben und shoppen gehen, ist doch völlig in Ordnung …«
    Jennifer muss lachen.
    »Also, wovor hast du dann Angst?«
    »Na ja, ich verhalte mich ja schon ein bisschen auffällig. Und werde dabei sogar aufgenommen. Irgendwie macht mich das doch … na ja, verdächtig. Und dann wird das auch noch alles gespeichert. Ob sich da nicht doch jemand fragt, was das alles soll?«
    »Wer sollte denn dieser ›Jemand‹ sein?«
    »Irgendwelche Sicherheitsbehörden eben! Du bist ja lustig. Die ganzen Daten fließen doch an

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