Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
drittens, hinter uns liegen zwei nicht gerade erfolgreiche Jahre ... Wie oft haben wir in diesen beiden Jahren den Lichten nachgeben müssen? Fünfmal? Zehnmal?«
    »Aber gedrückte Stimmung - die wollen wir gar nicht erst aufkommen lassen, nicht wahr?«, höhnte Juri. »Kehren wir alles unter den Teppich. Schirmen wir die Jugend von schlechten Einflüssen ab. Hm...«
    »Was heißt hier hm?«, blaffte Edgar zurück. »Gib mir lieber einen Rat, was wir jetzt tun sollen.«
    »Der Chef hat dich zum Stellvertreter bestimmt«, sagte Juri gleichgültig. »Also musst du dir darüber den Kopf zerbrechen.«
    »Kolja und du - ihr habt euch ja geweigert, deshalb hat er mich ernannt.« Edgar gab sich jetzt düster und unzugänglich. »Schöne Kämpfer seid ihr mir...«
    »Ach, Jungs, jetzt haltet endlich mal die Klappe!« In ihrer Empörung war Anna Tichonowna rot angelaufen. »Wir haben jetzt andre Sorgen! Meine Hexen arbeiten im Unterschied zu euch schließlich auch gut zusammen!«
    »Gut, lassen wir das.« Juri machte eine abwinkende Geste. »Ihr fragt, was wir jetzt tun sollen? Nichts. Unser ukrainischer Held kann nicht weit aus Moskau sein. Die Kralle ist meiner Ansicht nach bei ihm. Wenn er bisher noch nichts unternommen hat, heißt das, er hatte noch keine Gelegenheit dazu. Warten wir darauf, dass er zurückkommt. Und das muss er, denn die Kralle muss in den nächsten beiden Tagen nach Moskau gelangen. Andernfalls ist das Wahrscheinlichkeitsmaximum überschritten, und sie ist nichts weiter als ein starkes Artefakt.«
    Nikolai nickte zustimmend.
    Edgar sah die Magier aufmerksam einen nach dem andern an. »Dann warten wir also«, seufzte er. Und fügte hinzu: »Stimmt. Ausgebufft ist er, unser Ukrainer. Noch ausgebuffter als Geser.«
    »Sag nicht hopp, bevor du nicht gesprungen bist«, riet Kolja. »Wie es in der Ukraine heißt...«
    »Anna Tichonowna«, sagte Schagron mit leicht einschmeichelnder Stimme. »Könnten Sie Ihre Mädchen nicht bitten, Kaffee zu kochen? Ich hab einfach keine Lust mehr, nach alldem noch einen Finger zu rühren...«
    »Du bist ein Faulpelz, Schagron.« Anna Tichonowna schüttelte den Kopf. »Aber gut, ich kümmer mich darum, schließlich hast du heute gute Arbeit geleistet. Die andern sollten sich ein Beispiel an dir nehmen.« Schagron grinste zufrieden. Zu meinem größten Erstaunen war es im Zelt die ganze Nacht über warm gewesen. Zum Schlafen zog sich natürlich niemand aus, und auch ich legte nur die Jacke und die Schuhe ab, um in den angebotenen Schlafsack zu kriechen. Das Zelt gehörte dem bärtigen Matwej, und bei Bedarf hätten hier auch drei, ja, sogar vier Leute Platz gefunden. Doch wir blieben zu zweit. Im Nachbarzelt, von dem uns zwanzig Meter trennten, stöhnte das Geburtstagskind, gleich nachdem alle vom Lagerfeuer aufgestanden waren, noch eine Zeit lang wohlig in den kräftigen Armen eines Verehrers; also war es nicht nur bei uns warm. Schon komisch. Als Mensch aus dem Süden hatte ich immer angenommen, dass der Winter in einem Wald kalt und scheußlich sein müsse.
    Da hatte ich mich getäuscht. Im Wald war es vielleicht wirklich kalt und scheußlich. Aber der Mensch vermag es sich warm und gemütlich zu machen. Und zwar überall, wo er hinkommt. Die Natur muss dabei natürlich etwas in den Hintergrund treten, aber diese Frage steht auf einem andern Blatt. Einem ganz andern...
    Matwej wachte als Erster auf. Er kroch aus seinem Schlafsack, hantierte am Eingang mit seinen modernen Bergsteigerschuhen herum (kein Vergleich mit meinen Tretern), band die Eingangsplane hoch und kroch hinaus. Sofort fiel der Frost über mich her. Gleichzeitig spürte ich an der Brust das längliche Ding, das mir die Wikinger auf dem Flughafen zugeworfen hatten. Bisher hatte ich es mir noch nicht in Ruhe angesehen - es hatte sich keine Gelegenheit dazu ergeben.
    Außerdem wurde mir klar, dass sich der Schutzkokon, über Nacht nicht genährt, aufgelöst hatte. Das Ding sandte spürbar Kraft aus. Und zwar nicht einfach Kraft, sondern KRAFT. Wenn hier auch nur ein Anderer gewesen wäre, hätte er unweigerlich die Kralle gespürt.
    Ich zog unter meinem Hemd ein längliches und leicht gebogenes Etwas hervor. Ein Futteral? Eine Art Scheide für einen Dolch, nur dass sie sich wie eine zweischalige Meeresmuschel öffnen ließ. Falls es denn solche Muscheln im Meer überhaupt gab: bis zu dreißig, fünfunddreißig Zentimeter lang und schmal.
    Das Futteral war im Zwielicht geschlossen worden, weshalb ein normaler

Weitere Kostenlose Bücher