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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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genommen. Auf dem Sitz an der Tür saß Anna Tichonowna, die, wenn mich nicht alles täuschte, das Gebäude der Tagwache bisher nur selten verlassen hatte. Mit monotoner Stimmer las sie uns den Lagebericht vor.
    »Romaschowa, Darja Leonidowna. 63 Jahre, sieht aber wesentlich jünger aus, verleibt sich wahrscheinlich ständig Kraft ein. Vermutlich eine Hexe, möglicherweise aber auch eine Dunkle Zauberin. Steht seit vier Jahren unter Beobachtung als nicht initiierte Andere.« Daraufhin schimpfte die Lemeschewa kurz und heftig gegen die Mitarbeiter der Überwachungsabteilung. »Gegen eine Kontaktaufnahme sperrt sie sich offenbar! Gesprächen über mystische Themen entzieht sie sich, indem sie sich auf ihre Gottergebenheit beruft! Was haben denn der Glaube und die Fähigkeiten eines Anderen miteinander zu tun? Das ist noch die Frage, wer dieser Christus gewesen ist...«
    »Lästern Sie nicht Gott, Anna Tichonowna!«, sagte Lenka leise, aber nachdrücklich. »Ich glaube auch an den Herrn.«
    »Entschuldige, Lena.« Die Lemeschewa nickte. »Ich wollte dich nicht verletzen. Sehen wir weiter ... Die Romaschowa hat sich wahrscheinlich mit kleineren magischen Handlungen etwas dazuverdient. Liebestränke, Trennungselixiere, Schadzauber, Beseitigung von Flüchen...«
    »Die übliche Scharlatanerie«, warf ich ein. »Kein Wunder, dass sie nicht ernsthaft überprüft wurde.«
    »Aber hätte man nicht die Ergebnisse überprüfen und feststellen müssen, dass sie wirklich hilft?«, fragte die Lemeschewa. »Nein, ich werde einen Bericht aufsetzen. Wenn Sebulon dergleichen unter guter Arbeit versteht, dann soll man mich entlassen. Ich könnte schon längst in Rente gehen!«
    Olga hüstelte ermahnend.
    »Ich bin bereit, ihm das ganz offen zu sagen!« Die Lemeschewa war ohne Zweifel kurz vorm Explodieren. »Nein, das müsst ihr mir schon nachsehen, vier Jahre lang davon auszugehen, dass eine Frau eine Hexe ist - und sie nicht richtig zu überprüfen! Das ist ein ganz gewöhnlicher Vorgang - wir schicken einen Agenten und kontrollieren den Kraftausstoß ... Das haben die Lichten inzwischen übrigens getan!«
    Darum ging's also. Ich verstand alles und machte mich innerlich auf einiges gefasst. Uns stand nicht nur eine Auseinandersetzung mit einer verrückten Hexe bevor, die einigen Schaden angerichtet hatte. Uns erwartete ein Kampf gegen die Nachtwache.
    Der mir gegenübersitzende Witali fing an, dumpf vor sich hinzuknurren. Er musste sich wohl eher Mut zusprechen, als dass er sich auf den Kampf freute. Er schob nicht gerade begeistert Dienst... dieser Mäusejäger. Giftig lächelte ich ihn an, und der Tiermann fletschte ansatzweise die Zähne. Seine Hauer wuchsen bereits, während sich der Unterkiefer allmählich nach vorn verlängerte.
    »Witali, verschonen Sie uns mit dem Anblick Ihrer Transformation hier im Auto!«, wies ihn die Lemeschewa scharf zurecht. »Bei dieser Hitze ist der Hundegestank unerträglich.«
    Die drei Vampire auf der Hinterbank lachten unisono los. Die Jungs kannte ich ganz gut, sie leisten zuverlässige Arbeit und rufen im Großen und Ganzen keine Antipathien hervor, wie das bei den meisten Untoten der Fall ist. Es waren drei Brüder, jeweils nur ein Jahr auseinander, kräftige und gutmütige Kerle aus einer gewöhnlichen Menschenfamilie. Zunächst war der Älteste Vampir geworden, als er bei den Luftlandetruppen diente, und zwar ganz bewusst, aus innerer Überzeugung - sein Kommandeur, ein Vampir, hatte es ihm vorgeschlagen. Ihre Einheit kämpfte damals irgendwo im Süden, es stand nicht gut für sie, und der junge Mann stimmte zu. Natürlich bewies ihre Einheit danach eine nie da gewesene Kampfkraft. In einer Nacht ein Dutzend Feinde niederzumetzeln, hinter die feindlichen Linien vorzudringen, sich unbemerkt an Wachen vorbeizustehlen -das ist selbst für einen unerfahrenen Vampir ein Kinderspiel. Als der Mann dann aus der Armee entlassen wurde, erzählte er alles seinen beiden jüngeren Brüdern - die ihm sofort den Hals zum Biss anboten.
    »Mit wie vielen ist zu rechnen, Anna Tichonowna?«, fragte Olga. »Mit Lichten, meine ich?«
    »Mit ein paar. Vier ... vielleicht fünf. Aber ...« - die Lemeschewa bedachte alle mit einem strengen Blick - »... ihr dürft es nicht auf die leichte Schulter nehmen, Mädchen. Es wird mindestens ein Lichter Magier zweiten Grades da sein.«
    Der Älteste der Vampirbrüder stieß einen Pfiff aus. Natürlich ist ein Vampir einem Magier nicht gewachsen, noch dazu einem, der über

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