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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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seltsam untergebracht sei, so eingequetscht in die Wohnungen der Menschen? Der Chef schmunzelte und erklärte mir, dies erschwere den Lichten jeden nur denkbaren Angriff - denn in einem Kampf könnten auch unschuldige Menschen sterben. Natürlich schonen die Lichten die Menschen ebenfalls nicht. Doch sie müssen allerlei pharisäerhafte Ausflüchte für ihr Verhalten finden, weshalb sieben Stockwerke mit Wohnungen einen soliden Schild darstellen.
    Der winzige Kontrollraum im Parterre, wo zwei Fahrstühle (von denen die Mieter auch nichts wussten) und eine Feuertreppe ihren Anfang nehmen, wirkte leer. Weder am Tisch saß jemand noch in dem Sessel vorm Fernseher. Erst eine Sekunde später entdeckte ich die beiden vorgeschriebenen Posten. Ein Vampir, der, glaube ich, Kostja hieß und der Tagwache noch nicht lange angehörte. Und der Werwolf Witali, angeworben aus Kostroma, der allerdings schon seit eh und je bei uns arbeitet. Beide Wachleute kauerten wie gebannt in einer Ecke. Witali kicherte leise. Kurz huschte mir ein ziemlich dämlicher Grund für dieses seltsame Verhalten durch den Kopf.
    »Was macht ihr denn da, Jungs?«, fragte ich in scharfem Ton. Mit Vampiren und Werwölfen darf man nicht viel Federlesens machen. Sie sind primitive Arbeitssklaven, diese Vampire - wie alle Untoten. Aber sie glauben allen Ernstes, nicht schlechter als Magier oder Hexen zu sein!
    »Komm her, Aliska!« Ohne sich umzudrehen, winkte Witali mich zu sich. »Hier gibt's echt was zu sehen!«
    Kostja richtete sich abrupt auf und trat irgendwie leicht gequält zur Seite.
    Ich ging näher heran. Und blieb verwundert wie angewurzelt stehen.
    Um Witalis Beine herum huschte eine kleine graue Maus. Mal erstarrte sie, mal sprang sie hoch, mal fing sie an zu fiepen und verzweifelt mit den kleinen Pfoten in die Luft zu trommeln. Im ersten Moment begriff ich gar nichts, dann kam ich auf die Idee, durchs Zwielicht zu blicken.
    Aha.
    Neben der in ihrer Panik gefangenen Maus sprang ein kräftiger Kater mit glänzendem Fell herum. Er streckte die Tatze nach der Maus aus, schnappte mit dem Maul nach ihr. Natürlich war das nur eine Sinnestäuschung, noch dazu eine primitive, ausschließlich für den Nager geschaffene.
    »Wollen doch mal sehen, wie lange das Vieh durchhält!«, meinte Witali voller Begeisterung. »Ich wette, dass es in einer Minute vor Angst stirbt.«
    »Ach ja«, sagte ich wütend. »Alles klar. Wir amüsieren uns ein bisschen? Lassen den Jagdinstinkten freien Lauf?«
    Ich streckte die Hand aus und packte die vor Angst erstarrte Maus. Das winzige Wollknäuel zitterte auf meinem Handteller, ich pustete es leicht an und sprach das notwendige Wort. Die Maus hörte auf zu zittern, streckte sie sich auf meiner Hand aus und schlief ein.
    »Hast du Mitleid mit dem Ding, oder was?«, fragte Witali leicht gekränkt. »Bei deinem Beruf solltest du solche Viecher bei lebendigem Leibe im Kessel kochen, Aliska!«
    »Für ein paar Zauber brauchte ich sie tatsächlich«, räumte ich ein. »Aber es gibt auch welche, für die die Leber eines Werwolfs notwendig ist, der bei Vollmond erschlagen wurde.«
    Die Augen des Werwolfs loderten böse auf, aber er hüllte sich in Schweigen. Sein Rang erlaubte es ihm nicht, sich mit mir zu streiten. Selbst wenn ich nur eine einfache Patrouillenhexe bin - er bleibt ein gedungener Werwolf.
    »Also, Jungs, dann nennt mir doch mal das vorgeschriebene Vorgehen für den Fall, dass auf dem Gelände Nager, Kakerlaken, Fliegen und Mücken gesichtet werden«, meinte ich gelangweilt.
    »Das Rattenbekämpfungsamulett ist zu aktivieren«, gab Witali ungern zu. »Wenn festgestellt wird, dass ein Tier immun gegen die Wirkung des Amuletts ist, ist Wachsamkeit zu beweisen, das Tier zu fangen und dem wachhabenden Magier zur Kontrolle zu übergeben...«
    »Du weißt also... Das heißt, von Vergesslichkeit kann hier keine Rede sein. Habt ihr das Amulett aktiviert?«, fragte ich.
    Der Werwolf schielte zum Vampir hinüber. Und wandte dann den Blick ab. »Nein.«
    »Klarer Fall von Nichterfüllung der Dienstvorschriften. Als Ranghöchster von euch beiden wirst du verwarnt. Du wirst das dem Wachhabenden mitteilen.«
    Der Tiermensch schwieg.
    »Wiederholen Sie das, Wachmann.«
    Er verstand, dass es dumm wäre, sich zu widersetzen, und wiederholte meine Worte.
    »Und jetzt macht euch an die Erfüllung eurer Pflicht...« Damit ging ich zum Fahrstuhl, die schlafende Maus in der Hand.
    »Guten Appetit...«, brummte mir der Werwolf hinterher.

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