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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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bei mir wird sie schon lange leben.« Lena schmunzelte. »Mindestens zehn Jahre. Dafür werden Pawel und ich schon sorgen.«
    »Dann nimm sie!« Mit einer großzügigen Geste wies ich auf die Maus. »Irgendwann komm ich mal zu dir zu Besuch.«
    »Hast du sie stark betäubt?«, fragte Lena, während sie die Maus beim Schwanz hochhob.
    »Bis heute Abend schläft sie mit Sicherheit.«
    »Gut.«
    Sie trug die Maus zu ihrem Tisch, kippte die Disketten aus einer Pappschachtel und legte das Tier hinein.
    »Du musst einen Käfig kaufen«, riet Olga, die sich an ihren manikürten Nägeln ergötzte. »Oder ein Aquarium. Wenn sie abhaut, zernagt sie dir alles und kackt überall hin.«
    Nachdenklich verfolgte Anna Tichonowna das Geschehen. Dann klatschte sie in die Hände. »Also, Mädchen«, rief sie. »Jetzt haben wir uns genug amüsiert. Das unglückliche Tier ist gerettet und hat ein neues Zuhause. Geschniegelt und gestriegelt sind wir auch. Jetzt beginnen wir mit den Instruktionen.«
    Unsere Leiterin ist zwar sehr streng, aber nicht grausam. Ohne Grund treibt sie niemanden an, außerdem gönnt sie uns unsern Spaß, und im Notfall kriegst du auch mal frei. Sobald es jedoch um die Arbeit geht, solltest du ihr nicht widersprechen.
    Die andern Frauen gingen zu ihren Tischen. Unser Zimmer ist winzig, denn letztendlich war das Gebäude nicht für die heutige Zahl von Mitarbeitern geplant. Hier passten mal gerade vier kleine Tische für uns rein, dazu ein großer, den Anna Tichonowna mit Beschlag belegt hatte. Irgendwie erinnerte mich unser Zimmer immer an eine Schulklasse in einem winzigen Dorf, eine Klasse für vier Mädchen und eine Lehrerin.
    Die Lemeschewa wartete, bis alle ihre Computer angestellt hatten und im Netz waren, um dann mit gut intonierter Stimme anzufangen. »Heute wollen wir eine völlig durchschnittliche Aufgabe bearbeiten: die Patrouillengänge im Südosten Moskaus. Wählt euch einen von den freien Fahndern als Partner, mit dem ihr auf Streife geht.«
    Wir gehen immer als Paar auf Patrouille, meist eine Hexe und ein Tiermensch oder Vampir. Wenn eine Verstärkung der Streifen befohlen ist, bilden an Stelle der üblichen Fahnder Hexer oder rangniedere Magier mit uns ein Paar. Aber das kommt nur selten vor.
    »Lenotschka, du übernimmst Wychino und Ljublino ...«
    Die Kirejewa, die heimlich am Rechner eine Patience gelegt hatte, fuhr zusammen und wollte gerade Einwände erheben. Ich verstand sie. Zwei riesige Bezirke, beide wahrlich nicht in nächster Nähe. Ein Streit würde natürlich nichts bringen, Anna Tichonowna bestand immer auf ihren Forderungen. Doch die Kirejewa konnte es einfach nicht lassen zu widersprechen.
    Genau in diesem Moment klingelte jedoch das Telefon auf dem Tisch der Lemeschewa. Wir sahen uns an, sogar die Kirejewa blickte ernst drein. Das war eine Direktverbindung zum Wachhabenden, ohne Grund würde der nicht anrufen.
    »Ja«, sagte die Lemeschewa. »Ja. Natürlich. Verstanden. Ich gehe auf Empfang...«
    Kurz trübte sich ihr Blick - der wachhabende Magier sandte ihr telepathisch eine Lagebeschreibung zu.
    Das bedeutete etwas Ernstes. Das bedeutete Arbeit.
    »In die Mörser ...«, flüsterte Lenka leise. Dieser Satz aus einem Trickfilm, der auf das Fluggerät der Hexe Baba-Jaga anspielt, ist bei uns zum geflügelten Wort geworden. Wer wohl diesmal raus musste...
    Doch als Anna Tichonowna den Hörer auflegte, spiegelte sich auf ihrem Gesicht ein strenger und harter Ausdruck wider.
    »Mädchen, ins Auto. Alle. Schnell!«
    Und nicht in die Mörser...
    Das bedeutete etwas sehr Ernstes. Das bedeutete Kampf.

Zwei
    Den Minibus fuhr Deniska, ein junger Dunkler Magier, der aufgrund seiner sagenhaften Faulheit lieber als Fahrer zusammen mit Vampiren und anderem Kroppzeug arbeitete. Doch wie faul er auch sein mochte - fahren konnte er, und die paar für seine Arbeit notwendigen Zauber beherrschte er perfekt. Wir flogen förmlich über die Straße dahin und ließen das Zentrum Moskaus mit einer Geschwindigkeit hinter uns, von der die Eskorte des Präsidenten nur träumen konnte. Ich spürte Funken von Kraft, als er die Realitätslinien betrachtete, die Blicke der Milizionäre ablenkte oder andre Autofahrer zwang, uns Platz zu machen. Außerdem saß heute Edgar neben ihm, ein Dunkler Magier aus Estland, schwarzhaarig, dunkelhäutig und dick, der überhaupt nicht wie ein Balte aussah, dafür aber über Fähigkeiten an der Grenze zum zweiten Grad verfügte.
    Zu neunt hatten wir hinten im Bus Platz

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