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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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was die Männer angeht - von verschissenen Spekulanten bis zu solchen wie mir, Raufbolden, die heimlich vom Krankenbett abhauen und ab zu Muttern untern Rock schlüpfen ... Und wie sie einem Oberst zugeflüstert hat: >Der verfault bestimmt schon lange in der Erde ...<, das habe ich auch gehört ... Der Oberst hat sich übrigens als Mensch herausgestellt. Als echter. Er stieg aus dem Bett, knallte ihr eine, zog sich an und ging.«
    Er goss Wodka ein und trank ihn schnell aus, ohne auf Anton Rücksicht zu nehmen. Dann goss er noch einmal ein. »Seit dieser Zeit bin ich so«, fuhr er fort. »Ich bin aus dem Haus gegangen, unter dem Klirren der Medaillen und dem Geschrei Wilenas. >Sie haben dich alle angelogen, die Mistweiber, ich bin dir treu gewesen! < Ich ging die Straße entlang, und etwas in meinem Innern brannte aus. Das war im Mai, Anton. Im Mai 1945, Geser hat mich gleich nach der Kapitulation Deutschlands von der Front weggeholt. >Deine Front ist jetzt hier, Hauptmann Tep-low<, hat er mir erklärt. Die Menschen waren damals... sie waren nicht so wie heute, Anton. Sie alle hatten leuchtende Gesichter. Die Dunklen Dreckskerle hatten Hochsaison, da brauchen wir uns nichts vormachen! Aber auch Licht gab es viel. Und als ich die Straße entlangging, stromerten Kinder um mich herum, staunten die Ordenspracht auf meiner Brust an und stritten darüber, welche Medaille ich wofür bekommen hatte. Die Männer drückten mir die Hand und luden mich auf einen Wodka ein. Die Frauen kamen herbeigelaufen ... und küssten mich. Einfach so, ohne sich viel dabei zu denken. Sie küssten mich wie ihren Freund, der noch nicht zurückgekehrt oder bereits gefallen war, wie ihren Vater, wie ihren Bruder. Manchmal weinten sie, küssten mich und gingen weiter. Verstehst du das? Wahrscheinlich nicht... Schließlich gehörst auch du zu denen, die sich Sorgen um unser Land machen, darüber nachgrübeln, wie schlecht jetzt alles ist, in was für einem Loch wir gelandet sind ... Du leidest, weil die Lichten Russland nicht in großem Maßstab helfen. Dabei kennst du ein richtiges Loch gar nicht, Anton. Wir schon!«
    Igor trank erneut. Anton hob schweigend sein Glas, nickte und brachte einen stummen, wiewohl auch ohne Worte verständlichen Toast aus.
    »Damals wurde ich zu dem, der ich heute bin«, wiederholte Igor. »Ein Magier. Ein Fahnder. Ewig jung. Einer, der alle liebt... und niemanden. Ich hatte für mich bereits beschlossen, dass ich mich nicht verlieben werde. Niemals. Freundinnen, das ist eine Sache, Liebe eine andre. Einen Menschen darf man nicht lieben, denn er ist schwach, einen Anderen darf man nicht lieben, denn er ist entweder dein Feind oder dein Kampfgefährte. Dieses Lebensprinzip habe ich für mich formuliert, Antoschka. Und es befolgt, so gut ich konnte. In gewisser Weise bin ich immer noch der junge Spund, der von der Front zurückkehrt und für den es noch viel zu früh ist, sich zu verlieben. Es ist eins, mit einer Frau über die Tanzfläche zu schieben ...« Er lachte leise. »... oder in der Disco im coolen Outfit unter einer UV-Lampe herumzuhüpfen ... egal, ob bei Jazz, Rock oder Trash, egal, wie lang der Rock ist und aus was die Strümpfe sind ... Das ist alles gut. Das kannst du alles machen, das ist richtig. Hast du diesen amerikanischen Zeichentrickfilm gesehen? Peter Pan? Ungefähr so war ich. Nur dass ich kein dummer Junge war, sondern ein dummer Jüngling. Und mir ging es gut damit... sehr lange. Die Zeit, die einem Menschen bestimmt ist, habe ich schon durchlebt. Sich zu beklagen wäre eine Sünde, denn ich habe nicht an Hilflosigkeit im Alter oder andern Problemen gelitten. Deshalb mach dir keine unnützen Sorgen, Anton.«
    Anton saß da und hielt sich den Kopf. Er schwieg.
    Es war, als öffnete sich eine Tür - und dort sah er etwas ... nein, nichts Verbotenes... nichts Peinliches... Etwas völlig Fremdes. Und er verstand, dass hinter jeder Tür, die er, so das Licht will, öffnete, etwas ebenso Fremdes lag... etwas Persönliches...
    »Ich bin meinen Weg gegangen, Anton«, sagte Igor fast zärtlich. »Sei nicht so traurig. Ich weiß, dass du in der Hoffnung hierher gekommen bist, mich aufzurütteln, mir die Flausen aus dem Kopf zu treiben, deine Anweisungen auszuführen. Nur wird nichts daraus. Ich habe mich nämlich wie der letzte Trottel in die Dunkle verliebt. Ich habe sie umgebracht. Und mich, wie es scheint, damit auch.«
    Anton schwieg. Alles war so leer. Eine fremde Sehnsucht rollte über ihn hinweg,

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