2 - Wächter des Tages
dabei immer heraus. Das hier ist Swetlana.«
Nachdenklich sah Anton auf den Kreis, der mit einem dicken gelben Strich gezeichnet war. »Keine große Ähnlichkeit«, sagte er.
Igor lachte. »Na schön ... Jetzt mal keine Witze. Sieh dir die Verteilung an. Das Gleichgewicht zwischen den Dunklen und uns war ausbalanciert, wenn auch labil, doch es bestand. Hier sind die Magier der ersten drei Grade auf unserer Seite ... und hier die Dunklen, die ihnen gleichwertig sind ... Sowohl die aktiven wie auch die, die man leicht zum Dienst mobilisieren kann.«
Das Blatt bedeckte sich schnell mit kleinen Kreisen. Mit einer schwungvollen Bewegung zog Igor in der Mitte der Liste einen Strich. In der einen Hälfte schrieb er oben »Geser« hin, in der andern »Sebulon«. »Im Grunde stehen die beiden außen vor«, erklärte er. »Sie sind die Schachspieler, aber uns interessieren die Figuren. Siehst du, was sich mit dem Auftauchen Swetlanas verändert hat?«
»Kommt drauf an, für welche Figur du sie hältst«, meinte Anton vorsichtig. »Im Moment ist sie eine Zauberin ersten Grades... oder war es, besser gesagt.«
»Ja, und? Guck dir doch mal an, wie viele Magier noch ihr Niveau haben!«
»Sie ist ein Bauer«, sagte Anton und wunderte sich selbst über seine Worte. »Swetlana ist nicht mehr als ein Bauer, und zwar noch viele lange Jahre! Sie wird ihre Kraft vergrößern, lernen, ihre Fähigkeiten zu kontrollieren, Erfahrung sammeln ... Sie ist stärker als ich ... war es. Aber ich würde mit ihr fertig werden, wenn ich auf der andern Seite der Front stehen würde.«
»Völlig richtig, Anton.« Igor goss sich geschickt einen Wodka aus der zweiten Flasche ein, die erste stand seit langem unterm Tisch. »Völlig richtig! Swetlana hat die Nachtwache ungeheuer gestärkt. Und kann zukünftig durchaus in einer Reihe mit Geser stehen. Aber das ist eine Frage von Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten!«
»Weshalb dann diese Aktivität der Dunklen? Sie hätten beinahe den Vertrag verletzt, nur um Sweta auszuschalten.«
»Denk mal nach!« Igor sah ihm in die Augen. »Spielen wir die Schachanalogie doch mal bis zum Ende durch...«
»Der Bauer erreicht das andre Ende des Bretts...«
»... und verwandelt sich in eine beliebige Figur.«
Anton breitete die Arme aus. »Igor, das weiß sowieso jeder. Wir alle sind Bauern, aber einige haben die Chance, eine Dame zu werden. Swetlana hat sie. Du nicht, ich auch nicht, Semjon ebenfalls nicht... Aber der Weg bis zum andern Ende des Bretts ist lang, und die Dunklen hätten nicht so hinterher sein müssen, Swetlana auszuschalten!«
»Die Schicksalskreide«, warf Igor ein.
»Was soll schon mit der Kreide sein? Geser wollte den Jungen ohne Schicksal, Jegor, benutzen, um aus ihm einen...«
»Was zu machen?«
»Einen Propheten, einen Philosophen, Dichter, Magier ...« Anton zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Einen, der die Menschheit zum Licht führt. Oder vielleicht einen Spiegel?
Einen Spiegel, wie es Witali Rohosa gewesen ist, nur dass er unserer Seite nützt.«
»Aber Swetlana wollte sich nicht einmischen«, nickte Igor. »Der Junge fegor bleibt allein mit seinem Schicksal.«
»Dafür ...« Anton erstarrte. Er wusste nicht, ob er das Recht hatte, Igor jene Wahrheit zu sagen, die er kannte - selbst wenn das Amulett sie schützte.
»Dafür hat Olga mit der zweiten Hälfte der Schicksalskreide das Schicksal von jemandem umgeschrieben«, meinte Igor schmunzelnd. »Das pfeifen die Sperlinge von den Dächern...«
»Die Spatzen«, korrigierte Anton ihn automatisch.
»Von mir aus. Entscheidend ist, dass die Operation trotzdem geglückt ist. Swetlana hat es nicht geschafft - aber Olga. Nebenbei hat Geser auf diese Weise Olga rehabilitiert.«
»Nebenbei?« Anton schüttelte den Kopf. »Gut, von mir aus nebenbei. Aber das ist nur die zweite Schicht der Wahrheit. Ich bin überzeugt, dass es noch eine dritte gibt.«
»Die dritte ist die Frage, wessen Schicksal Olga umgeschrieben hat. Sobald Sebulon von ihrer Rehabilitation erfahren hat, wusste er, dass er reingelegt worden war. Dass er auf eines der üblichen Ablenkungsmanöver hereingefallen war. Daraufhin haben sich die Dunklen auf die Suche gemacht. Jegorka, den armen Kerl, haben sie zehnmal überprüft - vielleicht hatte man sein Schicksalsbuch ja zweimal umgeschrieben...«
»Woher weißt du das denn?«
»Ich habe auf den Jungen aufgepasst. Geser hat mir den Befehl dazu gegeben, denn es war klar, dass die Dunklen denjenigen
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