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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Brauen bekamen etwas wasserfeste Schminke - aus irgendeinem Grund glaubte ich, es müsse unbedingt wasserfeste Kosmetik sein. Und damit basta. Das reichte.
    Schließlich ging ich nicht ins Konzert, sondern zu einem kleinen Lagerfeuer einer andern Gruppe. Zu jeder Sommerdatscha gehörte ein Platz, an dem man ein Lagerfeuer machen konnte. Offenbar handelte es sich dabei um eine der Traditionen hier im Artek. Ein wenig geschmälert wurde der Gesamteindruck allerdings dadurch, dass dem Brennholz mit seinen akkurat gehackten Scheiten etwas allzu Offizielles anhaftete. Vor meinem geistigen Auge sah ich geradezu, wie die Gruppenleiter ins Wirtschaftshaus gingen und einen Antrag auf »Brennholz zur Durchführung eines zweistündigen Lagerfeuers in der Gruppe« ausfüllten...
    Was mich im Übrigen keineswegs erheiterte. Wahrscheinlich müsste auch ich demnächst etwas in der Art organisieren. Und dann einen Antrag stellen, Brennholz besorgen - oder würden ihre Arbeiter das liefern? Gut, das würde ich schon rauskriegen.
    Alles war bereits vorbereitet, das Holz aufgeschichtet, und die Jungen aus der vierten Gruppe und die Mädchen aus der siebten saßen um den Holzstoß herum. Für meine Mädchen hatten sie fürsorglich genug Platz gelassen.
    Diese Wohltäter...
    Igor saß bei der Feuerstelle, umringt von seinen Jungen. Leise schlug er die Saiten einer Gitarre an, und ich hätte beinah aufgestöhnt, als mir einfiel, dass die Songs irgendwelcher Liedermacher unverzichtbarer Bestandteil solcher Runden sind. Was hatte die Gitarre schon alles ertragen müssen! Einst ein edles Instrument, der wahre König der Musik, ist es heute heruntergekommen zu einem bedauernswerten Holzklotz mit sechs Saiten für Menschen ohne jedes Gehör und ohne jede Stimme!
    Aber da musste ich durch.

    Nur schade, dass ein so sympathisches Exemplar der Menschen sich unter die talentlosen Sänger mit miserabler Stimme einreiht.
    Oje, er würde doch nicht eigene Lieder vortragen?
    Denn das ist der reinste Albtraum - wenn ein Autor schlechter Gedichte, der mal gerade drei Akkorde beherrscht, beschließt, Minus mal Minus gibt Plus und zum Liedermacher avanciert. Wie viele solcher Typen hatte ich schon erlebt! Sobald sie anfangen zu singen, kriegen sie einen starren Blick, ihre Stimme quillt über vor Kühnheit und Romantik und sie lassen sich unter gar keinen Umständen unterbrechen. Ein Tauber -auf der Balz, sozusagen! Die einzige Alternative sind bekannte Lieder, die so gut es geht verbogen werden. Etwas von Viktor Zoi oder der Rockgruppe Alissa. Oder was gefiel der Jugend von heute sonst?
    Was auch immer - mir würde es nicht gefallen!
    Als Igor uns erblickte, stand er auf. Sämtliche schlechten Vorahnungen verflüchtigten sich sofort. Nein, was für ein attraktiver Mann aber auch!
    »Hallo. Schön, dass du kommst.« Ohne Umschweife ging er zum Du über. »Wir haben noch nicht angefangen, sondern auf euch gewartet.«
    »Danke.« Ich spürte, wie ich unterging. Meine Mädchen hatten sich bereits gesetzt, und zwar zwischen die Jungen, da die älteren Mädchen sie etwas einschüchterten. Ich stand immer noch da wie die letzte Idiotin und zog unwillkürlich verständnisvolle Blicke auf mich.
    »Du bist eine gute Schwimmerin.« Igor lächelte.
    Aha!
    Hatte er am Strand also doch noch Zeit gefunden, seinen Blick mal schweifen zu lassen.
    »Danke«, wiederholte ich bloß. Was war nur los mit mir? Wie angewurzelt stand ich da, ein naives unerfahrenes Mädchen - das brauchte ich nicht mal zu spielen!
    Die Wut gab mir von selbst sofort Kraft. Ich setzte mich ins Gras zwischen Oletschka und Natascha. Meine kleine Garde, meine Spionin und meine Ratgeberin ... Dabei achteten sie im Moment gar nicht auf mich: Das bevorstehende Lagerfeuer fesselte ihre ganze Aufmerksamkeit.
    »Fang an, Aljoschka!«, meinte Igor ausgelassen. Und warf einem kräftigen weißblonden Jungen ein Päckchen Streichhölzer zu. Geschickt fing er sie in der Luft auf, kroch auf allen vieren zu dem Holzhaufen und setzte sich im Schneidersitz davor. Als ob er irgendeine heilige Handlung vornehmen wolle.
    Höchst affektiert nahm der Junge ein Streichholz aus der Packung, hielt wie ein alter Raucher schützend die Hände davor und entzündete es. Er beugte sich zum Holz vor. Offenbar gab es kein Papier zum Anfachen, sondern nur Tannennadeln und kleine Späne. Alle hielten den Atem an.
    Was für ein Zirkus!
    Trotzdem wartete auch ich gespannt, ob es dem kleinen Pyromanen gelingen würde, das Lagerfeuer

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