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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Lagerfeuer machen. Sie haben uns eingeladen, und ich lade euch ein! Zwei Stunden, in denen du einmal durchatmen kannst, denn deine Mädchen werden sich auch ohne dich amüsieren.«
    »Geht das denn?«, fragte ich rasch. Ich hatte nicht die geringste Lust abzulehnen. Und zwar nicht nur, um ein paar Stunden entlastet zu sein, sondern auch wegen des sympathischen Leiters Igor.
    »Natürlich geht das!« Verwundert sah Galina mich an. »Igor ist das erste Mal im Artek. Und er macht seine Sache schon sehr gut. Du musst ihn unbedingt kennen lernen. Außerdem sieht er auch noch gut aus, findest du nicht?«
    Ihre Stimme klang irgendwie viel wärmer. Kein Wunder. Nicht nur mir gefiel die Kombination aus kräftigen Muskeln und einem klugen Gesicht.
    »Wir kommen bestimmt«, versicherte ich. »Jetzt gleich.«

Fünf
    Ich zog mich derart rasch um, dass ich mich selbst nur wundern konnte. Weshalb die Eile? Wozu? Um einen hübschen Muskelprotz zu treffen? In ein paar Tagen würde mir jeder Mann gehören! Da brauchte ich jetzt nichts zu überstürzen. Ich bin kein Sukkubus, sondern eine einfache Hexe, doch einen Mann betören, der mir gefiel - das konnte ich bereits als Kind, kaum dass ich zum ersten Mal die Kraft erlangt hatte. Ich sollte noch warten und...
    Nein! Weshalb?! Ich zog meine beste Unterwäsche an, etwas, das eine Erzieherin nicht mit in ein Pionierlager nehmen sollte, sondern ein Mannequin auf dem Laufsteg präsentierte. Dazu eine feine Silberkette mit einem Anhänger aus Brillanten; so auffällig wie die Steine waren, würde niemand auf die Idee kommen, sie könnten echt sein, sondern sie für billigen Modeschmuck halten... Einen Tropfen Clima von Lancöme hinter die Ohren, einen auf die Handgelenke, einen auf den Venushügel... Wollte ich ihn heute etwa wirklich verführen?
    Ja! Unbedingt!
    Und ich wusste auch, warum.
    Ich war daran gewöhnt, die Möglichkeiten einer Anderen zu nutzen. Wann auch immer, selbst wenn ein'normales Gespräch oder eine Bitte gereicht hätten. Es wäre ja komisch gewesen, wenn ich mich nicht daran gewöhnt hätte. Doch wo ich nun schon vorübergehend meine übernatürlichen Kräfte eingebüßt hatte, warum sollte ich da nicht einmal mich selbst erproben?
    Kam ich noch ohne Magie zurecht oder nicht?
    Wenigstens bei einer so simplen Sache wie der, einen Mann zu verführen, der mir gefiel?
    Schließlich war ich jung, schön, intelligent... dazu das Meer, der Sommerabend, das Lagerfeuer ... die Quälgeister von Kindern würden schlafen ... sollte ich da wirklich nicht ohne jede Magie ans Ziel gelangen?
    Dann konnte man mich in der Pfeife rauchen!
    Ich hatte versprochen, den Minirock nicht zu tragen, aber die Shorts, die ich jetzt aus meiner Tasche holte, waren noch aufreizender. Ich drehte mich vorm Spiegel hin und her, um mich zu betrachten. Gut. Besser wäre eine etwas gewagtere Bluse gewesen, aber derart schweres Geschütz brauchte ich noch nicht aufzufahren. Ein Pionierlager ist schließlich kein Badeort.
    Vertieft in meine Vorbereitungen, überhörte ich sogar ein Klopfen an der Tür. Ich drehte mich erst um, als ich ein Quietschen hörte. Oletschka spähte ins Zimmer. »Alissa, wir sind schon alle fertig...«, trällerte sie. »Oi!«
    Voller Bewunderung starrte sie mich an. Sie staunte so aufrichtig, dass ich sie noch nicht mal für das ungefragte Hereinplatzen tadelte.
    »Sind Sie schön, Alissa!«
    Stolz lächelte ich. Es gehörte nicht viel dazu, ein Kompliment von einem Mädchen zu bekommen, das sich die dürren Händchen mit einem Armband aus Glasperlen verzierte und um den mageren Hals eine Kette mit einem auf eine Schnur aufgezogenen durchlochten Stein trug. Trotzdem schmeichelte es mir ... Aber diese Steine mit Loch - ich konnte sie einfach nicht mehr sehen!
    »Was meinst du?«, fragte ich. »Bin ich eine Frau zum Verlieben?«
    Nun taute Oletschka vollends auf, stürzte auf mich zu, umarmte mich und vergrub ihren Kopf in meinem Bauch. »Er verliebt sich bestimmt in Sie!«, brachte sie eifrig hervor. »Er braucht Sie bloß zu sehen, und schon verliebt er sich!«
    »Das bleibt unser kleines Geheimnis!«, flüsterte ich. »Abgemacht?«
    Oletschka nickte eifrig.
    »Lauf zu den Mädchen, ich komm gleich nach«, forderte ich sie auf. Oletschka warf einen letzten bewundernden Blick auf mich und sprang dann aus dem Zimmer.
    So. Jetzt noch ein Hauch Make-up. Wenn ich mich beeile, kriege ich es nie richtig hin, aber...
    Ich legte rasch Lippenstift auf, einen ganz dezenten, ruhigen. Die

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