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2 - Wächter des Tages

2 - Wächter des Tages

Titel: 2 - Wächter des Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Ich sprang auf - gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie in der Nähe unter einem Sonnenschirm ein diffuser Schatten hervorsprang und eiligst in die Nacht verschwand.
    »Wie unangenehm«, flüsterte Igor.
    »Wer war das?«, wollte ich wissen. Das Bewusstsein, dass man uns beobachtet hatte, stachelte meine Erregung wider Erwar ten nicht an. Sättigung. Absolute Sättigung. Selbst der Tropfen Sekt war jetzt bloß eine angenehme, aber keine unbedingt notwendige Ergänzung zum Sex. Und auf irgendwelche Unbefugte konnte ich erst recht verzichten.
    »Ich weiß nicht ... eines der Kinder vermutlich.« Igor war ohne Zweifel verwirrt. »Wie unangenehm... wie dumm.«
    »Halb so schlimm.« Ich umarmte ihn. »Die Kleinen schlafen schon, und die Großen können nur etwas lernen ... das gehört schließlich auch zur Erziehung.«
    Er lächelte, war aber trotzdem noch immer irritiert. So sind sie, die Menschen ..., messen solchen Kleinigkeiten Bedeutung bei...
    »Gehen wir zu dir?«, fragte ich.
    »Gehen wir.« Igor schüttelte den Kopf. Sah mich an. »Du solltest dir allerdings darüber im Klaren sein, dass du dann heute nicht zum Schlafen kommst.«
    »Davor wollte ich dich auch gerade warnen«, erwiderte ich. Und das war wahr.

Sechs
    Als ich noch eine vollwertige Andere war, konnte ich leicht fünf, sechs Tage ohne Schlaf auskommen. Auch jetzt sehnte ich mich im Grunde nicht nach Schlaf. Im Gegenteil - mein Blut kochte vor Energie. Gewöhnlicher, menschlicher Energie.
    In unser Häuschen kehrte ich eine halbe Stunde vor dem Wecken zurück. Ich schaute bei den Mädchen rein, die einen wälzten sich bereits im Bett, wachten langsam auf. Alles in Ordnung. Keines von ihnen war an den Strand gerannt, um zu baden oder zu ertrinken, keines war von bösen Terroristen entführt worden, niemand hatte es sich einfallen lassen, nachts nach der Erzieherin zu suchen.
    Mit einem dummen, aber zufriedenem Lächeln ging ich in mein Zimmer. Langsam und träge zog ich mich vor dem Spiegel stehend aus. Genüsslich strich ich mir mit den Händen über die Hüften und krümmte mich wie eine satte Katze.
    Eine verrückte Nacht. Eine verzauberte Nacht. Vermutlich hatte ich jeden Blödsinn gemacht, den eine verliebte Frau mit einem Mann nur machen kann. Und selbst das, was mir früher zuwider gewesen war, hatte mir in dieser Nacht eine erregende Freude bereitet.
    Ich hatte mich doch nicht etwa ernsthaft verliebt?
    Das konnte nicht sein...
    In einen Menschen? Einen gewöhnlichen Menschen? Selbst wenn er mich verstand wie niemand sonst auf der Welt?
    Das konnte nicht sein!
    »Beim Dunkel, wenn er doch bloß ein Anderer wäre«, flüsterte ich. »Ich flehe dich an, Großes Dunkel...«
    Es ist ein gefährliches Spiel, die Urkräfte um solche Kleinigkeiten zu bitten. Obwohl... ich glaube nicht, dass das Dunkel in der Lage ist, eine einfache Hexe zu hören. Sebulon wäre vermutlich imstande, bis zu ihm vorzudringen...
    Sebulon.
    Ich setzte mich aufs Bett und vergrub mein Gesicht in den Händen.
    Noch vor ein paar Tage hatte mich nichts glücklicher gemacht als seine Liebe. Und jetzt?
    Natürlich, er selbst hatte mir vorgeschlagen, mich zu amüsieren. Sicher, er spuckte auf banale menschliche Dogmen, noch dazu auf solche, die zum Repertoire der Lichten zählten. Was sollte es ihm schon ausmachen, wenn ich fremdging? Was wusste er von Eifersucht? Kein Wort würde er dagegen sagen, wenn Igor und ich...
    Stopp! Was spann ich da zusammen?
    »Aliska, du hast völlig den Verstand verloren...«, flüsterte ich.
    War ich den Menschen tatsächlich noch so sehr verhaftet? Sollte ich etwa tatsächlich dazu fähig sein - es kommt mir kaum über die Lippen - zu heiraten? Einen Menschen? Ihm Borschtsch zu kochen, seine Socken zu waschen, Kinder zu bekommen und großzuziehen?
    Wie heißt es doch so schön: Tags auf der Wache, nachts in der Mache...
    Doch, ich könnte es.
    Ich schüttelte den Kopf, als ich mir die Reaktion meiner Kolleginnen vorstellte. Nein, die Tatsache als solche war nicht weiter verwunderlich. Die meisten Hexen hatten geheiratet, und zwar in der Regel einen Menschen. Aber...
    Es ist eine Sache, einen reichen, einflussreichen Mann zu becircen, irgendeinen Oligarchen oder schlimmstenfalls einen Abgeordneten der Duma oder einen Mafioso, der in der Stadt was zu sagen hatte. Aber einen einfachen jungen Mann, einen Studenten ohne Geld und Beziehungen? Da würde es Spott hageln - und noch nicht einmal zu Unrecht, das war ja das Fürchterliche!
    Aber allein wegen

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